Inklu­sion muss „Chef­sa­che“ sein

Ein wich­ti­ger Bau­stein für unsere Demokratie

Das Motto mei­ner Amts­zeit lau­tet: „Demo­kra­tie braucht Inklu­sion“ – weil ich fest davon über­zeugt bin, dass alle Men­schen sich in ihrer Unter­schied­lich­keit gleich­be­rech­tigt am gesell­schaft­li­chen Leben betei­li­gen, sich ein­brin­gen kön­nen müs­sen. Wenn das erreicht ist, hält eine demo­kra­ti­sche Gesell­schaft das, was sie ver­spricht. Demo­kra­tie und Inklu­sion sind zwei Sei­ten der­sel­ben Medaille.

Spä­tes­tens mit der Rati­fi­zie­rung der UN-Behin­der­ten­rechts­kon­ven­tion (UN-BRK) 2009 hat sich Deutsch­land dazu ver­pflich­tet, auch die Teil­habe von Men­schen mit Behin­de­run­gen in allen Berei­chen des gesell­schaft­li­chen Lebens zu stär­ken und sie als gleich­be­rech­tigte Akteure in unse­rer Gesell­schaft anzu­er­ken­nen. Die UN-BRK ist gel­ten­des Bun­des­recht und es ist nun Auf­gabe des Staa­tes, nicht nur Recht zu set­zen, son­dern Maß­nah­men zu ergrei­fen, damit diese Rechte auch tat­säch­lich bei den Men­schen ankom­men und leb­bar sind. Etwa 13 Mil­lio­nen Men­schen leben in Deutsch­land mit einer Beein­träch­ti­gung, nur etwa drei Pro­zent von ihnen wer­den mit ihr gebo­ren, die aller­meis­ten erwer­ben diese im Laufe ihres Lebens. Vor dem Hin­ter­grund des demo­gra­fi­schen Wan­dels wird sich diese Ten­denz noch ver­stär­ken. Dass all diese Men­schen gleich­be­rech­tigt am gesell­schaft­li­chen Leben teil­ha­ben kön­nen, ist dabei nichts „Net­tes“ oder „Für­sorg­li­ches“, son­dern viel­mehr die Umset­zung von fun­da­men­ta­len Grundrechten.

Arti­kel 30 der UN-BRK regelt das Recht auf Teil­habe an Kunst und Kul­tur. Men­schen mit Behin­de­run­gen haben damit ein ver­brief­tes Recht auf ein Umfeld, in dem sie ihr krea­ti­ves, künst­le­ri­sches und intel­lek­tu­el­les Poten­zial ent­fal­ten und gleich­be­rech­tigt an kul­tu­rel­lem Leben teil­ha­ben können.

Gerade Kunst und Kul­tur kön­nen einen wesent­li­chen Bei­trag auf dem Weg zu einer inklu­si­ven Gesell­schaft leis­ten, davon bin ich fest über­zeugt. Denn in ihrem Facet­ten­reich­tum lebt gerade die Kunst von der Viel­falt und der Ver­schie­den­heit der Schaffenden.

Oft haben gerade Men­schen, die mit einer Behin­de­rung leben, aus­ge­prägte künst­le­ri­sche Fähig­kei­ten. Sie haben auf viele Dinge – auch auf­grund ihrer Erfah­run­gen – einen ande­ren Blick, als Men­schen, die ohne eine Ein­schrän­kung leben. Wir alle brau­chen und pro­fi­tie­ren von der Per­spek­tive von Künst­le­rin­nen und Künst­lern mit Behin­de­run­gen! Des­halb setze auch ich mich für eine inklu­sive Kul­tur­po­li­tik ein. Ich bin sehr froh, dass ich in mei­ner Amts­zeit – trotz Pan­de­mie – eini­ges bewe­gen durfte, um dem Ziel einer inklu­si­ven Gesell­schaft auch im Bereich von Kunst und Kul­tur näher zu kom­men. So konn­ten wir durch Aus­stel­lun­gen, Lesun­gen, durch Zusam­men­ar­beit mit exter­nen Part­ne­rin­nen und Part­nern – bei­spiels­weise mit der Deut­schen Kine­ma­thek im Rah­men und mit Unter­stüt­zung der Film­fest­spiele Ber­lin – The­men set­zen. In dem For­mat „Salon im Kleist­haus“ sind Kunst­schaf­fende mit Behin­de­run­gen sehr sicht­bar gewor­den und auch die gemein­sam mit dem Deut­schen Kul­tur­rat kürz­lich durch­ge­führte Ver­an­stal­tung „Kul­tur braucht Inklu­sion – Inklu­sion braucht Kul­tur“ hat einen unglaub­lich wich­ti­gen Impuls gesetzt. So muss es weitergehen.

Denn klar ist auch, dass noch viel zu tun bleibt, um das Ziel einer inklu­si­ven Gesell­schaft gerade auch im Bereich von Kunst und Kul­tur zu errei­chen. Es ist immer noch so, dass Men­schen mit Behin­de­run­gen ungleich mehr Hür­den aus­ge­setzt sind, als Künst­le­rin­nen und Künst­ler Fuß zu fas­sen oder an Kunst- und Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen über­haupt erst teil­ha­ben zu kön­nen. Das ist unge­recht. Wir brau­chen des­halb eine Will­kom­mens­kul­tur für Men­schen mit Behin­de­run­gen. Inklu­sion muss „Chef­sa­che“ sein und darf nicht dele­giert wer­den! Die bar­rie­re­freie Zugäng­lich­keit bei­spiels­weise zu Museen, Gale­rien oder Thea­tern ist ein Qua­li­täts­merk­mal für eine moderne Kul­tur­land­schaft, inklu­sive Ver­mitt­lungs­kon­zepte und der „unbe­hin­derte“ Zugang zur künst­le­ri­schen Aus­bil­dung müs­sen Stan­dard in Deutsch­land werden.

Und es ist letzt­lich eine Frage unse­rer Pro­fes­sio­na­li­tät, ob wir das schaffen.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 09/2021.

Von |2021-09-02T17:16:12+02:00September 2nd, 2021|lnklusion|Kommentare deaktiviert für

Inklu­sion muss „Chef­sa­che“ sein

Ein wich­ti­ger Bau­stein für unsere Demokratie

Jürgen Dusel ist der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen.