Mit­ein­an­der statt über­ein­an­der sprechen

Drei Fra­gen an Mascha Schmer­ling von „Meet a Jew“

Wie sieht der leben­dige All­tag von Jüdin­nen und Juden heute in Deutsch­land aus? Viel­fäl­tig! Ein­blick in diese Viel­falt gibt das Pro­jekt des Zen­tral­ra­tes der Juden in Deutsch­land „Meet a Jew“. Dabei sol­len durch per­sön­li­che Begeg­nung Zusam­men­halt geför­dert und Vor­ur­teile vor ihrem Ent­ste­hen ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den. Die Pro­jekt­ko­or­di­na­to­rin Mascha Schmer­ling berichtet.

„Meet a Jew“ will dazu bei­tra­gen, aktu­el­les jüdi­sches Leben durch in Deutsch­land lebende jüdi­sche Men­schen ken­nen­zu­ler­nen – wie geht das genau und wel­che Moti­va­tion steht dahinter?

Das Pro­jekt ver­mit­telt jüdi­sche Frei­wil­lige, die in Begeg­nun­gen mit Grup­pen einen Ein­blick in ihren per­sön­li­chen All­tag geben und auf Augen­höhe Fra­gen rund um ihre Reli­gion, Kul­tur, Tra­di­tio­nen oder die per­sön­li­che Bio­gra­fie beant­wor­ten. Unsere Moti­va­tion ist es, das gegen­wär­tige jüdi­sche Leben in Deutsch­land sicht­bar zu machen, dem Wort „Jude“ ein Gesicht zu geben und einen posi­ti­ven Zugang zum Juden­tum zu ermög­li­chen. Ein zeit­ge­mä­ßes Bild, das jüdi­sche Men­schen nicht auf den Holo­caust oder den Anti­se­mi­tis­mus redu­ziert und die Lebens­wirk­lich­keit von deut­schen Juden abbil­det. Da die wenigs­ten Men­schen in Deutsch­land eine Jüdin oder einen Juden per­sön­lich ken­nen, hel­fen nied­rig­schwel­lige per­sön­li­che Begeg­nun­gen, mit­ein­an­der statt über­ein­an­der zu spre­chen und Kli­schees aufzubrechen.

Hin­ter „Meet a Jew“ ste­hen viele Gesich­ter und Geschich­ten. Inwie­weit beför­dert die­ser plu­rale Ansatz die Begeg­nun­gen und auch den gesell­schaft­li­chen Zusammenhalt?
Es ist uns wich­tig zu zei­gen, dass es nicht „die Juden“ gibt, son­dern eine Viel­zahl von jüdi­schen Iden­ti­tä­ten. Die jüdi­sche Gemein­schaft ist sehr viel­fäl­tig, es gibt viele Mög­lich­kei­ten das Jüdisch­sein zu leben. Auch unsere Gesell­schaft ist mitt­ler­weile sehr divers. Diese Plu­ra­li­tät sollte auch im All­tag gelebt und in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung gese­hen und mit­ge­dacht werden.

Jüdin­nen und Juden ver­ste­hen sich als einen selbst­ver­ständ­li­chen Teil davon und wol­len nicht als fremd kate­go­ri­siert wer­den. Deutsch und jüdisch zu sein ist kein Wider­spruch. „Meet a Jew“-Begegnungen spie­geln die Plu­ra­li­tät in der Gesell­schaft und sen­si­bi­li­sie­ren für die Gefah­ren, die von Vor­ur­tei­len ausgehen.

Die Schwer­punkte der Arbeit von „Meet a Jew“ lie­gen auf Begeg­nun­gen in der Schule, auf dem Cam­pus und bei Sport. Wieso kon­zen­trie­ren Sie sich ins­be­son­dere auf diese Gesellschaftsbereiche?
Eines der Ziele von „Meet a Jew“ ist es, Men­schen anzu­spre­chen, die noch kein gefes­tig­tes Welt­bild haben und bevor Vor­ur­teile ent­ste­hen. Dies gelingt am bes­ten in jün­ge­ren Grup­pen, da nie­mand als Anti­se­mit gebo­ren wird. Es ist auch ein­fa­cher, prä­ven­tiv gegen Anti­se­mi­tis­mus vor­zu­ge­hen als ihn nach­träg­lich mit grö­ße­rem Auf­wand zu bekämpfen.

Der Schwer­punkt Sport ist für uns des­halb so span­nend, weil Sport wie kein ande­res Thema Men­schen quer durch die Gesell­schaft begeis­tert und ver­bin­det. Er bie­tet einen leich­ten Ein­stieg ins Gespräch und betont den Fair­play-Gedan­ken. Mit unse­ren Koope­ra­ti­ons­part­nern Lern­ort Sta­dion e.V. und Mak­kabi Deutsch­land e.V. kön­nen wir sport­af­fine Men­schen errei­chen und sie als Mul­ti­pli­ka­to­ren für eine offene und viel­fäl­tige Gesell­schaft gewinnen.

Gleich­zei­tig sind wir rea­lis­tisch, dass „Meet a Jew“ nur ein Bau­stein in der Prä­ven­tion von Anti­se­mi­tis­mus sein kann. Anti­se­mi­tis­mus tritt immer offe­ner zutage und zeigt, wo wir als Gesell­schaft stehen.

Wo Juden ange­grif­fen wer­den, ist auch die Demo­kra­tie in Gefahr. Es braucht daher eine nach­hal­tige und struk­tu­relle Aus­ein­an­der­set­zung mit den demo­kra­tie­ge­fähr­den­den und men­schen­feind­li­chen Ein­stel­lun­gen in unse­rem Land. So soll­ten z. B. Lehr­kräfte und Beamte bereits in der Aus­bil­dung darin geschult wer­den, Anti­se­mi­tis­mus zu erken­nen und den Umgang damit zu erlernen.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 04/2021.

Von |2021-04-01T12:03:47+02:00April 1st, 2021|Religiöse Vielfalt|Kommentare deaktiviert für

Mit­ein­an­der statt über­ein­an­der sprechen

Drei Fra­gen an Mascha Schmer­ling von „Meet a Jew“

Mascha Schmerling ist Projektkoordinatorin bei „Meet a Jew“.