Chan­cen­gleich­heit im Journalismus

Der Deut­sche Jour­na­lis­ten- Ver­band will mehr geschlech­ter­ge­rechte Sprache

Seit über 20 Jah­ren befasst sich der Deut­sche Jour­na­lis­ten-Ver­band (DJV) mit Chan­cen­gleich­heit und Diver­si­tät im Jour­na­lis­mus. Anna-Maria Wag­ner ist Refe­ren­tin zu die­sem Thema und kennt die zum Teil noch immer bestehen­den Fall­stri­cke. Cor­ne­lie Kun­kat spricht mit ihr über geschlech­ter­ge­rechte Spra­che, Gen­der Pay Gap und eini­ges mehr.

Cor­ne­lie Kun­kat: Wann wurde die Kom­mis­sion Chan­cen­gleich­heit und Diver­sity ins Leben geru­fen? Was bedeu­tet die Ver­än­de­rung von einem Fach­aus­schuss zu einer Kom­mis­sion – mehr Einfluss?
Anna-Maria Wag­ner: Chan­cen­gleich­heit steht beim DJV schon seit über 20 Jah­ren auf der Agenda. Der gleich­na­mige Fach­aus­schuss wurde 1995 gegrün­det. Er hat sich schwer­punkt­mä­ßig mit der Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit von Män­nern und Frauen in Medi­en­be­ru­fen und sozi­al­po­li­ti­schen Fra­ge­stel­lun­gen, wie etwa Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf, befasst. Außer­dem hat der Fach­aus­schuss sei­ner­zeit die bun­des­weite Tagung »Frau macht Medien« ins Leben geru­fen. Vor zwei Jah­ren wurde der Fach­aus­schuss in eine Kom­mis­sion umge­wan­delt. Minou Amir-Sehhi, die 2017 gewählte Vor­sit­zende der Kom­mis­sion, hat gerade im Bereich Diver­sity viele neue Impulse gesetzt. Der Kern­auf­trag des Gre­mi­ums ist die Bera­tung des Bun­des­vor­stan­des in allen Fra­gen rund um Chan­cen­gleich­heit und Diver­sity. Außer­dem orga­ni­sie­ren wir Ver­an­stal­tun­gen und tau­schen uns über Netz­werke auch über den DJV hin­aus inten­siv aus: etwa mit den Neuen Deut­schen Medi­en­ma­chern, dem Ver­ein Pro Quote Medien oder dem Deut­schen Kulturrat.

Wie muss man sich die Bera­tung des Bun­des­vor­stan­des vor­stel­len? Wer­den die Anre­gun­gen dan­kend ange­nom­men oder muss hier Über­zeu­gungs­ar­beit geleis­tet werden?
In den Kom­mis­si­ons­sit­zun­gen erar­bei­ten wir Anträge oder Posi­ti­ons­pa­piere. Idea­ler­weise macht der Bun­des­vor­stand sich unsere Vor­schläge zu Eigen, sodass diese dann von den Dele­gier­ten beim Bun­des­ver­bands­tag bera­ten wer­den. So kön­nen wir in der Ver­bands­po­li­tik mit­mi­schen und Dis­kus­sio­nen ansto­ßen. Aber natür­lich pola­ri­sie­ren die The­men der Kom­mis­sion häu­fig auch, wie etwa gen­der­ge­rechte Spra­che. In der Kom­mis­sion hal­ten wir sie für essen­zi­ell. Denn das gene­ri­sche Mas­ku­li­num führt eben nicht dazu, dass sich alle Geschlech­ter »mit­ge­meint« füh­len. Die Stu­di­en­lage ist dies­be­züg­lich völ­lig ein­deu­tig. Den­noch sträu­ben sich viele Medi­en­schaf­fende noch immer dage­gen, jour­na­lis­ti­sche Texte gen­der­ge­recht umzu­set­zen. Dabei gibt es eben nicht nur das berühmte Gen­der­stern­chen, son­dern viele alter­na­tive sprach­li­che Stil­mit­tel. Das Expe­ri­men­tie­ren mit Spra­che kann und soll auch Spaß machen. Gerade, wenn man sich haupt­be­ruf­lich damit beschäftigt.

Die Kom­mis­sion for­dert Chan­cen­gleich­heit und Diver­sity nicht nur für die Zusam­men­set­zung der Redak­tio­nen, son­dern auch im Umgang mit Inter­view­part­ne­rin­nen und -part­nern, beim Schrei­ben und für die Bild­aus­wahl sämt­li­cher jour­na­lis­ti­scher Pro­dukte – sei es in der Presse, Online, im Hör­funk oder Fern­se­hen. Auch die Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf für freie und fest­an­ge­stellte Kol­le­gin­nen gehört zu den Kern­the­men der Kom­mis­sion. Was sind hier Ihre der­zei­ti­gen Arbeits­schwer­punkte, bzw. wo sehen Sie die größte Hebelwirkung?
Sie haben es bereits ange­deu­tet: Aktu­ell befas­sen wir uns inten­siv mit dem Schwer­punkt­thema Diver­sity im Jour­na­lis­mus. Die Debatte dar­über ist natür­lich nicht neu, aber es besteht eben noch immer enor­mer Nach­hol­be­darf. So hat in Deutsch­land etwa jeder fünfte Ein­woh­ner einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund, in den Redak­tio­nen aber nur jeder fünf­zigste. Diver­sity-Stra­te­gien haben auch des­halb eine große Hebel­wir­kung, weil sie nicht nur Medi­en­schaf­fende mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund umfas­sen, son­dern auch Frauen, Jour­na­lis­ten mit unter­schied­li­chen sozia­len Bio­gra­fien oder Behin­de­rung. Ziel muss es sein, dass die mediale Bericht­erstat­tung die Viel­falt der Gesell­schaft spie­gelt. Aus Fall­bei­spie­len aus der Wirt­schaft wis­sen wir zudem, dass diverse Teams erfolg­rei­cher und inno­va­ti­ver sind. Sol­che öko­no­mi­schen Argu­mente über­zeu­gen hof­fent­lich auch die Manage­ment-Ebene der Medi­en­häu­ser davon, sich für diver­sere Redak­tio­nen einzusetzen.

Wie groß schät­zen Sie das der­zei­tige Gen­der Pay Gap in den jour­na­lis­ti­schen Beru­fen und wel­che Gegen­maß­nah­men pro­pa­gie­ren Sie?
Laut dem Sta­tis­ti­schen Bun­des­amt ver­die­nen Frauen in Deutsch­land 21 Pro­zent weni­ger als Män­ner. Wir haben kei­nen Grund zu der Annahme, dass die Situa­tion aus­ge­rech­net in den Medien bes­ser aus­sieht als im bran­chen­über­grei­fen­den Schnitt. Die BBC hat es vor­ge­macht: Um gegen Lohn­dis­kri­mi­nie­rung anzu­ge­hen, hilft nur radi­kale Trans­pa­renz: Gehalts­struk­tu­ren offen­le­gen, Beför­de­run­gen und Ein­stel­lun­gen begrün­den. Jour­na­lis­tin­nen schil­dern häu­fig, dass unter­schied­li­che Gehäl­ter oder Hono­rare bei glei­cher Tätig­keit durch zufäl­lige Gesprä­che mit männ­li­chen Kol­le­gen ans Licht gekom­men sind. Geld sollte des­halb nicht län­ger ein Tabu­thema sein. Das vom Gesetz­ge­ber geschaf­fene Ent­gelt­trans­pa­renz­ge­setz hat hin­ge­gen lei­der viele hand­werk­li­che Schwä­chen, was die prak­ti­sche Anwen­dung betrifft. Wenn Jour­na­lis­tin­nen den begrün­de­ten Ver­dacht einer Gehalts­dis­kri­mi­nie­rung haben, soll­ten sie das jeden­falls ihrem Arbeit­ge­ber gegen­über offen anspre­chen. Inner­halb die­ses Pro­zes­ses bera­ten und unter­stüt­zen wir die Kol­le­gin­nen gern.

Wel­che Mög­lich­kei­ten sehen Sie, die sub­tile Dis­kri­mi­nie­rung von Jour­na­lis­tin­nen zu minimieren?
Wenn wir etwa über sexu­elle Beläs­ti­gung, Mob­bing oder Benach­tei­li­gung bei der Beset­zung von Füh­rungs­po­si­tio­nen reden, sind ver­trau­ens­volle Anlauf­stel­len in den Häu­sern das A und O. Dazu gehö­ren Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte, Ombuds­per­so­nen und natür­lich auch die Betriebs- und Per­so­nal­räte. Das Nach­se­hen haben die freien Jour­na­lis­tin­nen. Wer auf Auf­träge ange­wie­sen ist, will nicht durch Unbe­quem­lich­keit auf­fal­len. Außer­dem sind die genann­ten Anlauf­stel­len für diese Mit­ar­bei­te­rin­nen meist nicht zustän­dig. Betrof­fene kön­nen sich aber auch an ihren DJV-Lan­des­ver­band oder direkt an die Kom­mis­sion wen­den. Wir kön­nen pas­sende Bera­tungs­an­ge­bote benen­nen, in den Betrie­ben ver­mit­teln und bie­ten unse­ren Mit­glie­dern in schwer­wie­gen­den Fäl­len auch kos­ten­lo­sen Rechtschutz.

Haben Sie das Gefühl, dass nach­fol­gende Gene­ra­tio­nen hier­von weni­ger betrof­fen sind? Wenn ja, woran mag das liegen?
Ja, abso­lut. Gute Bei­spiele sind hier­für etwa »bento« und »ze:tt«, die jun­gen digi­ta­len Able­ger vom »Spie­gel« bzw. »Zeit Online«. Arbei­ten auf Augen­höhe, Diver­si­tät in der Per­so­nal­struk­tur und in der Ziel­grup­pen­be­trach­tung – in die­sen Redak­tio­nen ist das völ­lig selbst­ver­ständ­lich. Es wird sicher noch einige Jahre dau­ern, bis sich ein sol­cher Kul­tur­wan­del auch in den klas­si­schen Medi­en­häu­sern durch­ge­setzt hat. Aber davon pro­fi­tie­ren dann vor allem die Journalistinnen.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 07-08/2019.

Von |2019-07-19T10:21:15+02:00Juli 19th, 2019|Arbeitsmarkt|Kommentare deaktiviert für

Chan­cen­gleich­heit im Journalismus

Der Deut­sche Jour­na­lis­ten- Ver­band will mehr geschlech­ter­ge­rechte Sprache

Anna-Maria Wagner ist Referentin für Digitale Kommunikation, Chancengleichheit und Diversity beim Deutschen Journalisten-Verband e.V. Cornelie Kunkat ist Referentin für Frauen in Kultur und Medien beim Deutschen Kulturrat.