Die Meinungsfreiheit, also das Recht eines jeden Menschen, sich eine Meinung zu bilden und diese in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern sowie zu verbreiten, ist ein fundamentales Menschenrecht. Sofern dabei die Verbreitungsplattform der gedruckten oder digitalen Presse gewählt wird, tritt als Kommunikationsgrundrecht auch die Pressefreiheit hinzu. Und dann sind wir schon bei der Verantwortung der Presse – besser der Journalistinnen und Journalisten – und deren berufsethischen Grundsätzen, also auch bei der Arbeit des Deutschen Presserats und dem von ihm herausgegebenen Pressekodex. Wie weit darf eine Berichterstattung über Amokläufe wie beispielsweise über das Attentat von Christchurch in diesem Jahr gehen? Dürfen Namen und Fotos von Unglücksopfern oder Strafverdächtigen publiziert werden? Und wie steht es um die Nennung der Nationalität oder Herkunft von Tatverdächtigen?
Der Deutsche Presserat ist die Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) der Presse, gegründet 1956 und getragen von den großen Verleger- und Journalistenverbänden. Grundlage für die Beurteilung der journalistischen Arbeit ist ein berufsethisches Regelwerk, der Pressekodex. Leser-Beschwerden über redaktionelle Veröffentlichungen in Zeitungen, Zeitschriften und über verlagsbezogene Telemedien mit journalistisch-redaktionellem Inhalt werden anhand der 16 Ziffern im Pressekodex geprüft. Stichworte sind hier: journalistische Sorgfaltspflicht, Schutz der Persönlichkeit und Ehre, Vorverurteilungs-, Diskriminierungs- und Schleichwerbeverbot.
2018 wandten sich wieder viele Leserinnen und Leser an den Presserat. 2.038 Beschwerden gingen bei der FSK ein. In den vergangenen Jahren ist das Bedürfnis nach medienethischen Beurteilungen gestiegen. Ein Grund dafür ist sicherlich die Glaubwürdigkeitsdebatte, die seit Jahren sowohl ernsthaft wie auch interessengesteuert geführt wird. Etlichen Beschwerden war zudem ein medienkritischer Unterton gemeinsam. Einige Leser zweifelten dem Presserat gegenüber sogar generell am Wahrheitsgehalt von Artikeln: Zeitungen und Zeitschriften berichteten zu verschiedenen Themen „falsch“ oder zumindest nicht „objektiv“. Vorwürfe und Zweifel machten Leser an unterschiedlichen politischen Bewertungen von Ereignissen wie den Ausschreitungen in Chemnitz im August 2018, den Migrationsbewegungen sowie am Umgang mit dem Rechtspopulismus fest.
Die FSK kann nicht darüber entscheiden, welche Interpretation eines Ereignisses richtig oder falsch ist. Wir treten aber für das Recht der Redaktionen ein, die eigene Meinung und Bewertung auf Basis überprüfbarer Informationen zu veröffentlichen. Diesen wesentlichen Bestandteil der Meinungsfreiheit zu schützen, sieht der Presserat als seine grundlegende und satzungsgemäße Aufgabe an. Jede Beschwerde und damit kritisierte Veröffentlichung wird von uns unvoreingenommen geprüft.
Jede Redaktion muss im Interesse der Glaubwürdigkeit verantwortungsvoll mit Informationen umgehen. „Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse“, heißt es in Ziffer 1 des Pressekodex. Jede journalistisch und jede verlegerisch verantwortliche Person muss wissen, dass individuelles Fehlverhalten und einzelne Nachlässigkeiten Vorbehalte und Vorurteile gegen die gesamte Presse schüren können. Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut der an den Pressekodex gebundenen Medien.
Wichtige Aufgabe für den Presserat ist – neben der Kasuistik – seine präventive Tätigkeit. Um glaubwürdig berichten zu können, brauchen Journalisten geeignete Rahmenbedingungen für Recherche und Berichterstattung, allen voran einen freien und geschützten Zugang zu Ereignissen von öffentlichem Interesse. Dieser Zugang war in letzter Zeit nicht immer gewährleistet: So behinderte ausgerechnet die Polizei z. B. im August 2018 ein Kamerateam, das über eine Pegida-Demonstration in Dresden berichten wollte. In diesem Zusammenhang erinnerte der Presserat an die Verhaltensgrundsätze Presse/Rundfunk und Polizei, die nach der Geiselnahme von Gladbeck vor über 25 Jahren mit der Innenministerkonferenz und den Medienverbänden vereinbart wurden. Zudem setzt sich der Presserat im Kontakt mit der Innenministerkonferenz für den bundeseinheitlichen Presseausweis ein, der ein wichtiges Hilfsmittel eines Qualitätsjournalismus darstellt.
Eine unabhängige, freie Presse ist eine tragende Säule der Demokratie und in Zeiten von gezielten Falschinformationen und vielfach nur gefühlten Wahrheiten umso relevanter. Die Rahmenbedingungen für die Wahrnehmung dieser Rolle hat der Staat zu garantieren. Die Ausgestaltung liegt in der Verantwortung der Presse: unerschrocken, der Wahrheit verpflichtet, den ethischen Leitsätzen folgend, Verlockungen und versuchten Einflussnahmen von außen widerstehend, stets mit dem nötigen Abstand und frei von persönlichen Befindlichkeiten.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 07-08/2019.