Ein YouTuber mit blauer Tolle, eine unter Druck geratene Parteivorsitzende und rund 15 Millionen Klicks später stehen wir vor den Fragen, wie verhält es sich mit der Freiheit im Netz und welche Form der Medienregulierung brauchen wir im Digitalen. Zwei Fragen, die für viel Verunsicherung sorgen und die bei näherer Betrachtung gar nicht so schwer zu beantworten sind.
Es ist unumstritten, dass das Netz viel verändert hat. Informationsprozesse, Marktverhältnisse und Geschäftsmodelle haben sich im Digitalen verschoben, und was selbst Bill Gates einst als „Hype“ abgetan hat, prägt heute maßgeblich unsere Realität. Unsere Realität ist jedoch auch geprägt von einer Rechts- und Werteordnung, die sich aus guten Gründen nicht verändert hat und die gilt – im Analogen wie im Digitalen. Grundlage dieser Rechtsordnung ist unsere Demokratie, die aus einem Zusammenspiel von Legislative, Exekutive und natürlich den Bürgerinnen und Bürgern als Basis der Staatsgewalt besteht. Und damit kommen wir zu einem ganz entscheidenden Punkt: Wir sind alle aufgefordert, unsere gesellschaftliche Verantwortung anzunehmen und den Rahmen zu gestalten, in dem wir Demokratie leben wollen. Und es ist unsere Aufgabe als Medienregulierung und Teil der Exekutive, dieser Rahmung auch im Netz Geltung zu verschaffen.
Bisweilen werden jedoch, wenn es um die Regulierung des Internets geht, immer wieder die gleichen Bedenken formuliert. Ja, die Unternehmen, die das Netz dominieren, kommen aus den USA. Und ja, das Netz ist ein weltweites Phänomen, das die großen internationalen Medienunternehmen gerne global und mit beeindruckendem Aktionismus eigenständig regulieren würden. Aber so funktioniert unsere Rechtsordnung eben nicht. Es gilt, wer eine Gefahr setzt, der ist auch für sie verantwortlich. Und da es nicht absehbar ist, dass wir uns zeitnah mit Russland, China oder den USA auf eine gemeinsame Definition von Gefahr oder einen gemeinsamen Wertekanon verständigen, müssen sich diejenigen, die hier ihre Geschäfte betreiben, auch an unsere nationale Rechtsordnung halten. Es muss uns also gelingen, die Einhaltung unserer Rechtsvorschriften auch gegenüber internationalen Unternehmen durchzusetzen. Für die Medienregulierung in Deutschland dreht es sich dann immer um den Schutz dieser vier zentralen Güter – die Jugend, die Nutzer, die Medienvielfalt und die Menschenwürde. Die aktuellen Entwicklungen im Bereich des technischen Jugendmedienschutzes, die Ahndung von Werbeverstößen im Bereich des Influencer-Marketings oder Initiativen wie „Verfolgen statt nur Löschen“ zur Bekämpfung von Hassrede im Internet sind dabei nur einige Beispiele, bei denen wir schon heute aktiv werden und Erfolge bei der Rechtsdurchsetzung im Digitalen erzielen.
Aber – so lautet ein weiteres Bedenken – das Netz ist doch frei und kann nicht reguliert werden. Damit stellt sich also die Frage, schließen sich Freiheit im Netz und der Schutz von zentralen Rechtsgütern aus? Die Antwort lautet Nein. Eine Freiheit ohne Regeln ist nämlich immer nur die Freiheit der Starken und Rücksichtslosen. Eine Freiheit ohne Regeln ist sozialer Darwinismus. „Den Gesetzen gehorchen wir nur deswegen, um frei sein zu können“, hat schon Cicero formuliert. Wenn wir also von unserer demokratischen Grundordnung überzeugt sind, müssen wir anfangen, Freiheit und die Anwendung von Regeln auch im Netz auszubalancieren. Wir wollen die Freiheit schützen, indem wir Recht gemeinsam sichern.
Die Debatte um die Meinungsmacht von YouTubern und die Grenzen der Meinungsfreiheit im Netz ist dabei natürlich ein bisschen absurd, denn die Meinungsfreiheit ist und sie bleibt – insbesondere auch im Politischen – frei. Und auch wenn wir uns zunächst daran gewöhnen müssen, wie von diesem Recht im Digitalen Gebrauch gemacht wird, ändert dies nichts an einem der wichtigsten Grundrechte. Anders sieht es jedoch aus, wenn mit Bezug auf das Recht der freien Meinungsäußerung gegen den Jugendschutz verstoßen oder mutwillig die Menschenwürde verletzt wird. Hier braucht es angemessene Voraussetzungen, um eingreifen zu können.
Doch wie steht es um diese Voraussetzungen? Mit Blick auf die aktuelle Gesetzeslage stellen wir fest, dass es gar nicht viel mehr braucht als die gültige Rechtsordnung, um ein paar Verfahrensregeln zu ergänzen, um sie im Digitalen und gegenüber Plattformen und Intermediären anwendbar zu machen. Dafür sind klare Regeln für Transparenz und Diskriminierungsfreiheit bei Intermediären oder die Auffindbarkeit von Inhalten notwendig. Außerdem braucht es eine Ausweitung der Auskunftsansprüche der Medienaufsicht auf die neuen Plattformen und realistische Verfahrensregeln in Fällen von Verstößen. Klare Regeln zum Themenfeld der politischen Werbung und eine Interventionsmöglichkeit im Falle der journalistischen Desinformation sind weitere Beispiele für notwendige Anpassungen.
Das Internet ist für uns vor allem eines: Eine enorme Chance für einen demokratischen Kommunikationsraum, in dem die Freiheit – und allen voran die Meinungsfreiheit – gelebt werden kann. Lassen Sie uns diese Chance nutzen und diesen Raum gemeinsam gestalten. Um die Einhaltung der Regeln kümmern wir uns.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 07-08/2019.