Die bundesweite Veranstaltungsreihe „Diversität in Arbeit“ ist ein Projekt der Stiftung Genshagen, welche im Rahmen des Kompetenzverbundes Kulturelle Integration und Wissenstransfer (KIWit) stattfindet. Sie befasst sich mit der Diversitätsentwicklung von Kunst- und Kultureinrichtungen. In insgesamt acht Veranstaltungen im Zeitraum von April bis Juli 2019 kommen unterschiedliche Kultureinrichtungen mit Impulsgebern aus der Wirtschaft zusammen, um erfolgreiche Arbeitsansätze im Bereich der Diversitätsentwicklung anzustoßen.
Es ist wichtig, dass sich die Vielfalt der Gesellschaft in jeglichen Bereichen von Institutionen und Kultureinrichtungen widerspiegelt. Die Initiative kulturelle Integration hat Moritz von Rappard, Projektleiter der Veranstaltungsreihe „Diversität in Arbeit“, einige Fragen über das Projekt der Stiftung Genshagen gestellt.
Kristin Braband: Die Stiftung Genshagen ist neben der Bundesakademie Wolfenbüttel, Haus der Kulturen der Welt, netzwerk junge ohren und dem Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen Mitglied des von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) initiierten Kompetenzver¬bundes Kulturelle Integration und Wissenstransfer (KIWit). Was sind die Aufgaben und Ziele dieses Zusammenschlusses?
Moritz von Rappard: Als fünf Partner mit verschiedenen Aufgaben und Kompetenzen verbindet uns ein gemeinsames Ziel: Wir machen uns für Vielfalt in Kultureinrichtungen stark, indem wir unter anderem Beratungen zum Thema Diversitätsentwicklung anbieten. Wir sensibilisieren in den Bereichen Personalentwicklung und Kompetenzaufbau und stärken bisher zu wenig vertretene und wahrgenommene Menschen. Unser Angebot richtet sich an alle Kultureinrichtungen, insbesondere an die vom Bund geförderten Kulturinstitutionen, sowie an Menschen, die sich bisher nicht von Kultureinrichtungen angesprochen fühlen.
Sie leiten die bundesweite Veranstaltungsreihe „Diversität in Arbeit“, welche im Rahmen von KIWit stattfindet. Was verstehen Sie unter „Diversität in Arbeit“ und was können Kultureinrichtungen tun, um die Vielfalt der Gesellschaft widerzuspiegeln?
„Diversität in Arbeit“ betont schon im Titel, dass es sich um einen Prozess handelt. Entsprechend wird auch bei den Veranstaltungen ganz praktisch am Thema Diversität gearbeitet. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Austausch mit Menschen, die in verschiedenen Arbeitswelten unterwegs sind.
Der Ausgangspunkt jeder Veranstaltung besteht in einer ganz konkreten Frage, mit der sich die gastge¬bende Kultureinrichtung aktuell beschäftigt. Als Reaktion darauf bietet die Reihe einen Impuls aus der Wirtschaft dazu, wie ein Unternehmen mit verwandten Herausforderungen umgeht.
Weil Diversität nicht nur ein Thema in Großstädten ist, sondern überall seine besondere Ausprägung hat, ist es uns wichtig, unterschiedliche Häuser aus großen oder kleinen Städten in Ost oder West einzubeziehen. Unser Anspruch ist, ganz konkret und lokal mit den Einrichtungen zu arbeiten und sie bei der Entwicklung von Ideen zu unterstützen, die sinngemäß „ab nächstem Montag um halb zehn“ umgesetzt werden können. Ich glaube, dass Kultureinrichtungen viele unterschiedliche Dinge tun können, um die Vielfalt der Gesellschaft widerzuspiegeln: Sie müssen einfach nur anfangen!
So regional dieser Ansatz mit seinen Themen ist, so sehr ist es uns ein Anliegen, dass die Gesamtreihe mit ihren Impulsen überregional wahrgenommen und diskutiert wird. Deshalb freuen wir uns sehr, dass die Reihe nicht nur von Deutschlandfunk Kultur als Medienpartner, sondern auch vom Deutschen Museumsbund, dem Deutschen Musikrat und anderen Netzwerken unterstützt wird. Zusätzlich sind die an den jeweiligen Orten diskutierten Inhalte in Form von Audio-Downloads und Graphic Recordings abrufbar.
Wie läuft die Reihe „Diversität in Arbeit“ ab?
„Diversität in Arbeit“ bietet an jeder Station zwei Veranstaltungen, von denen die erste öffentlich ist und die zweite in einem geschützten Raum stattfindet.
Zu Beginn des öffentlichen Abends spricht eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der Kultureinrichtung über die Herausforderung Diversitätsentwicklung im Hinblick auf ein konkretes Arbeitsgebiet im beruflichen Alltag. Darauf folgt ein Impuls von einer Person, die für ein Wirtschaftsunternehmen arbeitet. Inhaltlich geht es um Erfahrungen mit Diversität in einem Bereich, der zum Thema der Kultureinrichtung passt. Dabei kann es sich um Personalentwicklung, Produkt- bzw. Programmentwicklung, Arbeitsorganisation, Öffentlichkeitsarbeit oder Kundenbindung handeln. So wird schnell deutlich, dass nicht nur der Kulturbereich mit Diversität konfrontiert ist, sondern dass wir es mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen zu tun haben. Als erster Schritt ist deshalb vorgesehen, sich mit unterschiedlichen Menschen und ihren Ideen zum Thema auszutauschen. Auch das Publikum ist eingeladen, zwischenzeitlich in Arbeitsgruppen zu diskutieren und sich mit seinen vielfältigen Erfahrungen in die Auseinandersetzung einzubringen.
Am Vormittag des Folgetages schließt sich ein interner Workshop für rund 15 Personen an, an dem auch die Impulsgeberin oder der Impulsgeber aus der Wirtschaft teilnimmt. Es hat sich gezeigt, dass es ein Gewinn sein kann, wenn nicht nur Angestellte der Kultureinrichtung mitwirken, sondern auch Außenstehende einbezogen werden. Nachdem alle Teilnehmenden sich auf die drängendsten Veränderungsbedarfe verständigt haben, teilen sie sich in möglichst heterogene Kleingruppen auf. Mit Hilfe einer sehr einfachen Arbeitsmethode, die aus dem Design-Thinking kommt, entwickeln die Gruppen konkrete Ideen zur Verbesserung des Status Quo. Gerade im Hinblick auf die Komplexität der Herausforderung ist es am Ende umso erstaunlicher, dass es oftmals sehr einfache Veränderungsmöglichkeiten gibt.
Wie entstand die Idee für diese Veranstaltungsreihe? Bestand der Bedarf vor allem seitens der Kunst- und Kul-tureinrichtungen oder wird dieser Bedarf zum Teil auch politisch initiiert?
Da der Anspruch des Gesamtprojekts KIWit sehr praxisorientiert ist, haben wir uns entschieden, von konkreten Herausforderungen der Kunst- und Kultureinrichtungen im Hinblick auf ihre Diversitätsentwicklung auszugehen. Grundsätzlich finden die Veranstaltungen nur dort statt, wo sich ein Haus zu einer Frage im Umgang mit Diversität bekennt und sich in diesem Sinne öffnen möchte. Direkt damit verbunden scheint mir auch der Anspruch der Menschen an den Häusern, etwas ändern zu können. Und zwar nicht primär bei den anderen und auch nicht erst, wenn es Personal oder Geld dafür gibt, sondern ganz unmittelbar.
Bei den Veranstaltungen mit anschließenden Workshops tauschen sich Kulturinstitutionen mit Wirtschaftsakteuren über Diversitätsentwicklung aus. Warum haben Sie Impulsgeber aus der Wirtschaft gewählt und wie wurden die jeweiligen Tandems zusammengesetzt?
Die Idee basiert auf dem ausdrücklichen Auftrag der BKM, einen Erfahrungstransfer im Themenfeld Diversitätsentwicklung von der Wirtschaft in die Kultur zu initiieren. Tatsächlich gibt es in diesem Bereich viele inspirierende Methoden und Sichtweisen, die im Rahmen von „Diversität in Arbeit“ in Kunst- und Kultureinrichtungen diskutiert werden sollen. Das Themenspektrum reicht von Personalentwicklung über Teamarbeit und Teambuilding bis zu Co-Creation und dem Umgang und Einbezug von Zielgruppen. Da hier zwei unterschiedliche Welten zusammenkommen, besteht eine besondere Herausforderung darin, den Erfahrungsaustausch möglichst konstruktiv zu gestalten. Von großer Bedeutung war deshalb auch der kuratorische Prozess, für die konkreten Themen der Kultureinrichtungen jeweils einen passenden Impuls aus der Wirtschaft zu finden. Dabei ist allen Beteiligten für ihre Aufgeschlossenheit zu danken, dass am Ende acht sehr spannende Konstellationen zusammengekommen sind.
Die ersten Tandemgespräche, beispielweise zwischen dem GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig und Bosch Rexroth, fanden bereits statt. Welche Erkenntnisse konnten aus den bisherigen Veranstaltungen gezogen werden?
Die zentralste Erkenntnis aus den bisherigen Ergebnissen lautet für mich, dass Diversitätsentwicklung zwar ein komplexes Thema ist, aber tatsächlich Jede und Jeder jederzeit und ganz konkret anfangen kann, Änderungen in der eigenen Institution vorzunehmen. Natürlich ist es wichtig, wenn sich die Führung für den Diversitätsprozess einsetzt, aber es ist nicht so, dass es als erstes viel Geld, mehr Stellen und eine neue Leitung braucht.
Der zweite Punkt, der wichtig scheint: Wenn sich eine Institution öffnen möchte, macht es Sinn, vom „Sende- “ auf „Empfangsmodus“ zu wechseln. Jede Veranstaltung der Reihe zeigt, dass die Institutionen davon profitieren, sich im Hinblick auf ihre Herausforderung zu öffnen und die Stadtgesellschaft in die weiterführende Auseinandersetzung einzubeziehen. Offenkundig ist es hilfreich, mit ganz anderen Menschen und Sichtweisen in einen Austausch zu treten – gerade, wenn ein Haus sich fragt, mit welchem Programm es eigentlich die erreichen kann, die sich nicht angesprochen fühlen.
Schließlich sprechen wir dabei auch immer wieder über Zeit, denn natürlich ist es so, dass die erforderlichen Öffnungsprozesse viel mit Vertrauensbildung auf allen Seiten zu tun haben und die bestehenden Vorbehalte sich nicht von heute auf morgen auflösen werden.
Und was erwarten Sie von den kommenden Treffen?
Ich erhoffe mir, dass sich auch bei den noch folgenden Veranstaltungen die Beteiligten zu Öffnungsschritten im Rahmen ihrer Diversitätsentwicklung entschließen können. Wie wir erlebt haben, kann dieser Prozess bereits damit beginnen, eine Frage zu stellen und auf diese Weise die Herausforderungen einer öffentlich geförderten Einrichtung auch wirklich öffentlich diskutieren zu wollen. Toll wäre schließlich, wenn die Reihe dazu beiträgt, dass die Kultureinrichtungen eines Tages noch stärker als Schnittstellen eines gemeinschaftlichen Miteinanders unterschiedlichster Perspektiven erlebt werden können.
Vielen Dank.
Weitere Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen des Projektes „Diversität in Arbeit“ finden Sie auf der Website der Stiftung Genshagen.