Zu Hause zwi­schen Pri­g­nit­zern, Ucker­mär­kern und Lausitzern

Hei­mat und Iden­ti­tät im Kul­tur­land Brandenburg

Iden­ti­tät und Hei­mat haben Kon­junk­tur und stel­len teil­weise miss­brauchte Begriffe dar. Ins­be­son­dere rechte Kräfte ver­su­chen aktu­ell, diese Begriffe ein­sei­tig ideo­lo­gisch zu beset­zen. Es ist daher für kul­tu­relle Akteure wich­tig und vie­len auch ein Anlie­gen, sich mit The­men wie Hei­mat und Iden­ti­tät aus­ein­an­der­zu­set­zen und zu posi­tio­nie­ren. Diese The­men haben nicht auto­ma­tisch etwas mit Revan­chis­mus zu tun, mit ver­eng­ter Per­spek­tive oder mit der Abwehr des ver­meint­lich „Frem­den“, das von außen kommt.

Kul­tur­land Bran­den­burg, die lan­des­weit agie­rende kul­tu­relle Dach­marke des Lan­des Bran­den­burg, setzt jedes Jahr ein ande­res Thema, zu dem in Koope­ra­tion mit unter­schied­li­chen Part­nern im Land Bran­den­burg kul­tu­relle Pro­jekte umge­setzt wer­den, auch an den Schnitt­stel­len zu Wis­sen­schaft, kul­tu­rel­ler Bil­dung und Tou­ris­mus. Kul­tur­land Bran­den­burg för­dert die Pro­jekte unter ande­rem mit Lan­des­mit­teln, koor­di­niert und ver­netzt die Akteure und ist für das über­grei­fende Mar­ke­ting verantwortlich.

Bei den The­men­jah­ren geht es stets um zwei Per­spek­ti­ven, zum einen um die Kom­mu­ni­ka­tion nach innen und die Stär­kung regio­na­ler und loka­ler Iden­ti­tät, zum ande­ren um die Kom­mu­ni­ka­tion nach außen, auch unter kul­tur­tou­ris­ti­schen Aspek­ten. In bei­den Dimen­sio­nen gilt die Ein­la­dung, das Land Bran­den­burg unter den ver­schie­dens­ten The­men immer wie­der neu zu ent­de­cken, grö­ßere Zusam­men­hänge in den Geschich­ten, Per­sön­lich­kei­ten, his­to­ri­schen Zeug­nis­sen und der Bau­kul­tur vor Ort zu erken­nen und letzt­lich den Bogen zu schla­gen zwi­schen Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukunft, aber auch zwi­schen der glo­ba­li­sier­ten Welt und den Struk­tu­ren und Mög­lich­kei­ten vor Ort. Dabei kommt den Initia­ti­ven die Kom­pe­tenz und Krea­ti­vi­tät zahl­rei­cher Künst­ler und Kul­tur­ak­teure zugute, die inter­na­tio­nal ver­netzt, aber mitt­ler­weile lokal ver­wur­zelt sind und agieren.

Ins­be­son­dere authen­ti­sche Orte und ein­schlä­gige Per­sön­lich­kei­ten, ver­bun­den mit dem damit häu­fig ver­knüpf­ten bür­ger­schaft­li­chen Enga­ge­ment, bie­ten Schnitt­stel­len für kul­tu­relle Pro­jekte, die im Rah­men der The­men­jahre und Lan­des­kam­pa­gnen zusätz­li­che öffent­li­che Wahr­neh­mung und Wert­schät­zung erzeu­gen und damit wie­derum die kul­tu­relle Iden­ti­tät und das Enga­ge­ment vor Ort stärken.

Per­sön­lich­kei­ten, die regio­nale Iden­ti­tät her­zu­stel­len ver­mö­gen, sind in Bran­den­burg z. B. Fried­rich II. in Pots­dam oder im Oder­bruch, sein Bru­der Hein­rich in Rheins­berg, Theo­dor Fon­tane, Hein­rich von Kleist in Frank­furt an der Oder, Her­mann Fürst von Pück­ler-Mus­kau in Bra­nitz, Cott­bus, Köni­gin Luise in Paretz, Bet­tina und Achim von Arnim in Wie­pers­dorf, Ber­tolt Brecht und Helene Weigel in Buc­kow, aber auch Schrift­stel­ler wie Erwin Stritt­mat­ter oder Gün­ter de Bruyn bis hin zu heu­ti­gen Autoren, die Bran­den­burg und seine Bewoh­ner reflek­tie­ren, wie Antje Rávic Stru­bel oder Juli Zeh.

Im Jahr 2018 hat Kul­tur­land Bran­den­burg das euro­päi­sche Kul­tur­erbe in Bran­den­burg in den Blick genom­men und sich an das Euro­pean Cul­tu­ral Heri­tage Year unter dem Motto „Sha­ring heri­tage“ ange­dockt. In die­sem Kon­text gab es einige Pro­jekte, die, durch­aus auch mit Blick auf das viel zitierte und beschwo­rene Tole­ranz-Edikt von 1685, ver­deut­licht haben, dass Inte­gra­tion und die Gestal­tung eines fried­li­chen Mit­ein­an­ders immer ein her­aus­for­dern­der Pro­zess war. Die­ser gestal­tete und gestal­tet sich teil­weise mühe­voll. Ande­rer­seits, so zeigt auch die Geschichte, lohnt es sich jedoch, sich die­sen Her­aus­for­de­run­gen zu stel­len. Die Pro­jekte zeig­ten, dass Migra­tion durch­aus kein neues Thema dar­stellt und diese für eine Gesell­schaft Berei­che­rung und Wei­ter­ent­wick­lung bedeu­ten kann.

Die Erkennt­nis, dass man, vom kul­tu­rel­len Erbe aus­ge­hend, sehr oft zu ganz aktu­el­len Fra­ge­stel­lun­gen kommt, war im Euro­päi­schen Kul­tur­er­be­jahr eine viel­fach geteilte Erfah­rung. In vie­len Pro­jek­ten gab es einen inter­es­san­ten Ent­wick­lungs­pro­zess. Zunächst wurde gefragt, wo das euro­päi­sche Erbe und die euro­päi­schen Wur­zeln vor Ort, quasi vor der eige­nen Haus­tür, zu fin­den wären. Um dann zu der Erkennt­nis zu gelan­gen, dass die­ses Erbe und die ent­deck­ten Zusam­men­hänge mit unse­rer heu­ti­gen Situa­tion, mit dem, was aktu­ell in den Medien dis­ku­tiert wird und die Men­schen sehr bewegt, eine ganze Menge zu tun haben. Gerade in die­sem Jahr waren auch Pro­jekte wich­tig, die sich mit den pol­ni­schen Nach­barn und Part­nern aus­ein­an­der­setz­ten, denn diese Nach­bar­schaft, ehe­mals harte Grenze und beson­dere geteilte und mit Brü­chen ver­se­hene Geschichte ist ebenso Bestand­teil der bran­den­bur­gi­schen Identität.

Wo man sich zuord­net, Iden­ti­tät fin­det, ist jedoch immer eine Frage der Per­spek­tive. Wenn man auf ande­ren Kon­ti­nen­ten unter­wegs ist, ver­stärkt sich unter Umstän­den die eigene euro­päi­sche Iden­ti­tät, ist man in Europa, so sieht man sich als Euro­päer, aber auch als Fran­zose, als Pole, als Deut­scher – was nicht gleich­be­deu­tend mit Natio­na­lis­mus ist. In Deutsch­land dann ver­steht man sich als Bran­den­bur­ger, Thü­rin­ger oder Bayer. Und in der bran­den­bur­gi­schen Per­spek­tive, wo es starke Prä­gun­gen durch die gewach­se­nen Kul­tur­land­schaf­ten gibt, ist man dann natür­lich z. B. Pri­g­nit­zer, Ucker­mär­ker oder eben Lausitzer.

Die nächste kul­tu­relle Jah­res­kam­pa­gne des Lan­des Bran­den­burg ist dem 200. Geburts­tag von Theo­dor Fon­tane gewid­met, der wohl wie kein ande­rer über meh­rere Gene­ra­tio­nen iden­ti­täts­stif­tend gewirkt und das Bran­den­burg-Bild bis heute in den Köp­fen der Men­schen, Ein­hei­mi­schen wie Besu­chern der Region, geprägt hat. Die Akteure haben sich vor­ge­nom­men, den Autor in allen Facet­ten zu beleuch­ten, ins­be­son­dere auch in den weni­ger bekann­ten Fel­dern sei­ner jour­na­lis­ti­schen Arbeit, wie z. B. als Thea­ter­kri­ti­ker oder Kriegs­be­richt­erstat­ter. Ebenso wird die Arbeits­weise Theo­dor Fon­ta­nes genauer betrach­tet: wie er seine Sujets und Worte gefun­den hat, wel­che Quel­len und Infor­man­ten er nutzte, wie er seine Texte jah­re­lang immer wie­der über­ar­bei­tete, Mate­rial mehr­fach ver­wen­dete und neu zusam­men­fügte. Es gilt, den schein­bar so bekann­ten, iden­ti­täts­stif­ten­den Autoren neu ken­nen­zu­ler­nen, um selbst neue Impulse und Per­spek­ti­ven zur Erkun­dung sei­nes Wer­kes und des Lan­des Bran­den­burg zu erhalten.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 03/2019.

Von |2019-06-14T15:06:21+02:00Februar 26th, 2019|Heimat|Kommentare deaktiviert für

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Brigitte Faber-Schmidt ist Geschäftsführerin der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte, Kulturland Brandenburg.