Ver­wur­ze­lung und Selbstbewusstsein

Der Baye­ri­sche Lan­des­ver­ein für Hei­mat­pflege stif­tet Ori­en­tie­rung und mehr

The­resa Brüh­eim: Herr Böhm, Sie sind Vor­sit­zen­der des Baye­ri­schen Lan­des­ver­eins für Hei­mat­pflege. Was bedeu­tet Hei­mat für Sie?

Johann Böhm: Der Begriff Hei­mat ist schwer zu fas­sen. Er hat viel mit Gefüh­len zu tun. Da Men­schen unter­schied­li­che Gefühle haben, sind auch ihre Bewer­tun­gen unterschiedlich.

Hei­mat: Der Begriff kann miss­braucht oder zumin­dest instru­men­ta­li­siert wer­den. Die Natio­nal­so­zia­lis­ten haben ihn miss­braucht, haben ihn mit ihrer „Blut-und-Boden-Theo­rie“ ideo­lo­gisch auf­ge­la­den. Hei­mat gehörte für sie den „Ein­ge­bo­re­nen“ und schloss die „Frem­den“ aus. Diese Poli­tik dis­kre­di­tierte das Wort Hei­mat. Man sträubte sich daher nach dem Krieg, Hei­mat als etwas Erstre­bens­wer­tes anzu­se­hen. Wir haben gegen diese Ver­zer­run­gen gekämpft und für ein neues Ver­ständ­nis gewor­ben. Hei­mat war für uns nie die Wär­me­stube, in der wir uns behü­tet füh­len und zu der wir ande­ren den Zutritt ver­weh­ren. Sie ist der Ort, wo jeder­mann sich als Mensch ent­fal­ten kann und auch ein Hin­zu­kom­men­der Mensch sein darf. Hei­mat macht nicht die Fens­ter zu, son­dern auf und blickt durch­aus nach außen. Sie ist Ort des Mit­ma­chens und Mit­ge­stal­tens, des bür­ger­schaft­li­chen Enga­ge­ments. Kei­nes­falls ist sie bloße Idylle. Sie besteht also nicht nur aus Trach­ten, Blas­mu­sik und Bier­fes­ten. Hei­mat ist etwas wirk­lich Ele­men­ta­res, das Halt gibt.

Neu­er­dings wird Hei­mat instru­men­ta­li­siert. Waren wer­den mit dem Qua­li­täts­sie­gel ver­kauft, sie seien „Pro­dukte der Hei­mat“. Par­teien und Regie­run­gen machen sich die Bür­ger mit dem Anspruch gewo­gen, dass sie „für ihre Hei­mat“ arbeiteten.

Ist Hei­mat­pflege heute wich­ti­ger denn je?

Ja, gerade in Zei­ten der Glo­ba­li­sie­rung braucht der Mensch Ori­en­tie­rungs­punkte. Er muss wis­sen, wo er hin­ge­hört. Der Mensch, der sich nir­gendwo auf­ge­ho­ben fühlt, ist in kei­ner guten Ver­fas­sung. Daher ist auch die Ver­mitt­lung und Pflege von Hei­mat unver­zicht­bar. Sie stif­tet Ver­wur­ze­lung und somit Selbstbewusstsein.

Wel­che Bedeu­tung hat der Baye­ri­sche Lan­des­ver­ein für Hei­mat-pflege im Bundesland?

Der Lan­des­ver­ein wurde 1902 gegrün­det. Über die Hälfte der Grün­dungs­mit­glie­der waren Archi­tek­ten. Ihnen war die Bau­sub­stanz in Bay­ern wich­tig. Sie erstell­ten Gut­ach­ten, über­prüf­ten Pläne, fer­tig­ten Detail­zeich­nun­gen an. In den ers­ten Jah­ren bis zum Ers­ten Welt­krieg hat der Ver­ein über 1.000 Gut­ach­ten erstellt und über 3.000 Pläne ent­wi­ckelt. Diese Arbeit war bei­spiel­ge­bend. Dar­auf auf­bau­end hat der Frei­staat schon in den 1930er Jah­ren Bau­be­ra­tungs­stel­len ein­ge­rich­tet. Seit vie­len Jah­ren gibt der Lan­des­ver­ein das Peri­odi­kum „Der Bau­be­ra­ter“ mit Hand­rei­chun­gen für Archi­tek­ten heraus.

Er hat durch Initia­ti­ven Grund­la­gen für das Baye­ri­sche Denk­mal­schutz­ge­setz gelegt – ebenso für den Baye­ri­schen Musik­plan. Er hat erreicht, dass hei­mat­kund­li­cher Unter­richt in die Schu­len kommt.

Der Trach­ten- und der Brauch­tums­pflege wid­met er große Auf­merk­sam­keit. Im Inter­net­zeit­al­ter bedarf es moder­ner Ver­mitt­lungs­me­tho­den für Bräu­che. Wir haben gemein­sam mit der Uni­ver­si­tät Augs­burg eine Art Wiki­pe­dia für Brauch­ge­sche­hen in Wort und Bild entwickelt.

Und als der Ober­ger­ma­ni­sche-Rae­ti­sche Limes wie­der­ent­deckt wurde und zum euro­päi­schen Kul­tur­erbe wer­den sollte, wen hat man beauf­tragt, um die Dinge auf Vor­der­mann zu brin­gen? Den Baye­ri­schen Lan­des­ver­ein für Heimatpflege.

Sie sehen, unsere Arbeit ist umfäng­lich. Aber der Baye­ri­sche Lan­des­ver­ein für Hei­mat­pflege setzt sich nicht laut in Szene; er arbei­tet geräusch­los, aber wir­kungs­voll. Wir machen eine ruhige, wich­tige Arbeit.

Vie­len Dank.

Die­ses Inter­view ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 01-02/2019.

Von |2019-06-13T16:59:53+02:00Januar 25th, 2019|Heimat|Kommentare deaktiviert für

Ver­wur­ze­lung und Selbstbewusstsein

Der Baye­ri­sche Lan­des­ver­ein für Hei­mat­pflege stif­tet Ori­en­tie­rung und mehr

Johann Böhm ist Vorsitzender des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.