Das Fin­den der eige­nen Heimat

Was bestimmt Heimat?

Hei­mat. Was ist Hei­mat über­haupt? Muss es ein Ort sein? Und wenn ja, muss es der Ort mei­ner Geburts­stätte sein? Kann Hei­mat auch eine Per­son oder ein Gefühl sein? Muss ich eine Hei­mat haben? Und wie bemerke ich sie? Pas­siert das alles unter­be­wusst? Und wenn ich nun eine Hei­mat habe, muss ich dann unter allen Umstän­den für sie ein­ste­hen, auch wenn ich mit Tei­len oder Prak­ti­ken mei­ner Hei­mat nicht ein­ver­stan­den bin?

Meine Her­kunft ist ein­fach. Ich bin Deut­sche. Und zwar ein­deu­tig. Zum einen bin ich hier gebo­ren, zum ande­ren fließt schon seit Gene­ra­tio­nen auf bei­den Sei­ten mei­ner Fami­lie deut­sches Blut. Doch ist das alles? Wurde schon vor mei­ner Geburt ein­fach durch die Her­kunfts­län­der mei­ner Eltern und ihrer Eltern meine ganz per­sön­li­che Hei­mat bestimmt?

Ich war immer eifer­süch­tig auf viele in mei­ner Klasse, weil sie zwei­spra­chig auf­ge­wach­sen sind. Obwohl bei uns in der Klasse durch die Her­kunft der Eltern 15 ver­schie­dene Natio­nen ver­tre­ten sind, die auf 30 Jugend­li­che ver­teilt sind, wurde nur eine Ein­zige nicht in Deutsch­land geboren.

Also was ist mit all denen? Allen, deren Eltern aus einem ande­ren Land kom­men, sie sel­ber aber nie dort gelebt haben? Ist auch bei ihnen durch die Eltern die Hei­mat schon vor­be­stimmt oder zählt in die­sem Fall ihr Wohn- und Geburts­ort mehr? Um das zu ent­schei­den, müss­ten wir erst mal gene­rell über Hei­mat reden.

Was bedeu­tet Hei­mat überhaupt?
Ich war immer der Annahme, dass dort, wo du gebo­ren wur­dest, deine Hei­mat ist. Doch als ich älter wurde, fin­gen Leute an, Deut­schen zu sagen, sie sol­len in ihre Hei­mat zurück­ge­hen, nur weil sie anders aus­sa­hen. Also ist doch nicht der Geburts­ort entscheidend?

Ist es die Her­kunft unse­rer Vor­fah­ren, die unsere Hei­mat bestimmt? Wie viele Gene­ra­tio­nen sind bei die­sem Fall für die Prä­gung der Hei­mat wich­tig? Sind es nur unsere Eltern oder sind auch unsere Ur-, Ur-, Urgroß­el­tern für den spä­te­ren Sta­tus unse­rer Hei­mat unab­kömm­lich? Aber wieso nimmt man dann über­haupt die Staats­bür­ger­schaft eines Lan­des an, wenn man es doch sowieso nie Hei­mat nen­nen kann? Und ist die Defi­ni­tion der Hei­mat nicht gene­rell etwas ganz Per­sön­li­ches? Etwas, das man nur sel­ber fest­stel­len kann und sollte?

Diese eine Per­son aus mei­ner Klasse, die nicht in Deutsch­land gebo­ren wurde, kommt aus Finn­land, doch hat sie die meiste Zeit ihres Lebens hier in Deutsch­land ver­bracht. In dem Fall würde weder meine Kind­heits­theo­rie nach der, der Geburts­ort ent­schei­det, noch die mit der Blut­li­nie der Vor­fah­ren noch die der Staats­bür­ger­schaft, Deutsch­land als ihre Hei­mat aner­ken­nen und doch fühlt sie sich so, als wäre hier ihre Hei­mat. Sind also alle Theo­rien nicht hin­fäl­lig, solange der Mensch sel­ber anders fühlt?

Hei­mat sollte ein Ort oder eine Per­son sein, zu der man immer zurück­kom­men kann und wo man sich sicher und glück­lich fühlt, oder nicht? Doch woher sollte ich bitte wis­sen, was das für jemand ande­ren bedeu­tet? Wie soll­ten unsere Ur-, Ur-, Urgroß­el­tern, die uns nie­mals ken­nen­ler­nen kön­nen, diese Gefühle vor­aus­se­hen? Was bringt das äußere Erschei­nungs­bild, wenn das Innere etwas ande­res sagt? Also sollte wir nicht jeden sel­ber ent­schei­den und her­aus­fin­den las­sen, was für den Ein­zel­nen die rich­tige Ant­wort auf die Frage der Hei­mat ist?

Und viel­leicht, wenn wir dann noch Kraft haben, kön­nen wir uns über jeden freuen, der so wie wir Deutsch­land als schön, sicher und akzep­tie­rend genug wahr­nimmt, um es als eigene Hei­mat anzu­se­hen. Denn ist das nicht eigent­lich das größte Kom­pli­ment für ein Land, das es gibt?

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 01-02/2019.

Von |2019-06-13T16:00:57+02:00Januar 25th, 2019|Heimat|Kommentare deaktiviert für

Das Fin­den der eige­nen Heimat

Was bestimmt Heimat?

Friederike Schulz ist 16 Jahre alt und Schülerin in Berlin.