Las­sen wir uns nicht einschüchtern!

Kunst und Kul­tur müs­sen Hal­tung bewahren

Seit 2011 ver­an­stal­tet das ZDF im Bau­haus Des­sau regel­mä­ßig Kon­zerte. Vor einem rela­tiv klei­nen Publi­kum von rund 100 Per­so­nen spie­len Ein­zel­künst­le­rin­nen und -künst­ler sowie Bands aus Rock und Pop. Ins­ge­samt fan­den bereits 100 Kon­zerte statt. Der Rei­gen reicht von Adel Tawil, der am 14.10.2018 auf­trat, bis zu Youth­kills, die am 23.09.2013 ihren Auf­tritt hat­ten. Jo Schück, der die Kon­zerte mode­riert, sagt im Trai­ler auf www.zdf.de, dass er sich nicht hätte träu­men las­sen, dass die Reihe ein sol­cher Erfolg wird und vor allem so lange andau­ern würde. Die inhalt­li­che Ver­ant­wor­tung und die Aus­wahl der Künst­le­rin­nen und Künst­ler lie­gen beim ZDF. Die Stif­tung Bau­haus bie­tet die Bühne.

Für das ZDF, das nicht unbe­dingt den Ruf hat, ein jun­ges Publi­kum anzu­spre­chen, sind die Kon­zerte @zdfbauhaus eine Chance zu zei­gen, dass es junge Ziel­grup­pen im Blick hat. Für das Bau­haus in Des­sau sind die Kon­zerte eine Chance der über­re­gio­na­len Prä­senz und des Brü­cken­schlags zu ande­ren Küns­ten. Eine echte „Win-Win-Situa­tion“ also.

Am 6. Novem­ber die­ses Jah­res sollte ein Kon­zert der Band Feine Sahne Fisch­fi­let statt­fin­den. Die aus Meck­len­burg-Vor­pom­mern stam­mende Band ver­steht sich poli­tisch und zeigt in ihrer Hei­mat aktiv Flagge gegen Neo­na­zis. Am 18. Okto­ber die­ses Jah­res wurde das Kon­zert von der Stif­tung Bau­haus Des­sau als Haus­her­rin abge­sagt. Als Grund wurde in einer Pres­se­mit­tei­lung ange­führt, dass den sozia­len Medien zu ent­neh­men sei, dass rechte Grup­pie­run­gen aus der Umge­bung gegen das Kon­zert mobi­li­sie­ren wür­den. Das Bau­haus solle nicht erneut zum „Aus­tra­gungs­ort poli­ti­scher Agi­ta­tion und Aggres­sion“ wer­den, so die Stif­tung Bau­haus Des­sau unter Ver­weis auf einen Auf­marsch von über 120 Neo­na­zis und Rechts­ra­di­ka­len im März 2017.

Wir sind der Mei­nung, dass das Ent­schei­dende gar nicht die­ses spe­zi­elle Kon­zert ist. Es geht auch nicht darum, ob die Musik und die Texte von Feine Sahne Fisch­fi­let gut oder schlecht, geschmack­voll oder geschmack­los sind. Im Kern steht die Frage, ob Kul­tur­ein­rich­tun­gen nach Andro­hung von Demons­tra­tio­nen von rech­ten Grup­pie­run­gen ihr Pro­gramm ändern soll­ten, oder ob es nicht viel­mehr darum gehen muss, die Kunst­frei­heit in den Vor­der­grund zu rücken und den Staat auf­zu­for­dern, ent­spre­chende Maß­nah­men zu ergrei­fen, damit es zu kei­nen Aus­schrei­tun­gen bei Demons­tra­tio­nen von rech­ten Grup­pie­run­gen kommt.

Denn genauso wie das grund­ge­setz­lich ver­briefte Recht der Kunst­frei­heit geschützt wer­den muss, muss die Ver­samm­lungs­frei­heit gewähr­leis­tet sein. Das gilt selbst­ver­ständ­lich auch für rechte Grup­pie­run­gen. Sie haben das Recht zu demons­trie­ren, ob einem die Aus­sa­gen gefal­len oder nicht. Ein­ge­schrit­ten wer­den muss aller­dings, wenn bei sol­chen Demons­tra­tio­nen ver­fas­sungs­feind­li­che Sym­bole zu sehen sind. In sol­chen Fäl­len muss die Poli­zei ent­schie­den und kon­se­quent han­deln und die Staats­an­walt­schaf­ten sind gefor­dert, hier gege­be­nen­falls gericht­lich vor­zu­ge­hen. Die Demo­kra­tie bewährt sich gerade in sol­chen Situa­tio­nen, in denen es darum geht, die Grund­rechte zu schützen.

Mit Sorge erfüllt aber nicht nur diese Kon­zert­ab­sage. Der künst­le­ri­sche Aus­schuss des Deut­schen Büh­nen­ver­eins, des Bun­des­ver­bands der Thea­ter und Orches­ter, hat sich in sei­ner Okto­ber­sit­zung mit der Frage befasst, inwie­weit Thea­ter mit rechts­po­pu­lis­ti­schen Initia­ti­ven und Par­teien Erfah­run­gen gesam­melt haben. Hier ist die Rede davon, dass weit über künst­le­ri­sche Kri­tik hin­aus, gegen Künst­le­rin­nen und Künst­ler, gegen Insze­nie­run­gen und auch gegen Häu­ser vor­ge­gan­gen wird. Die Rede ist von juris­ti­schem Vor­ge­hen gegen ein­zelne Insze­nie­run­gen, von Stim­mungs­ma­che und Ein­schüch­te­run­gen von Künst­le­rin­nen und Künst­lern bis zur Infra­ge­stel­lung der Finan­zie­rung von Thea­tern und Orches­tern mit öffent­li­chen Mitteln.

Die Kon­zert­ab­sage in Des­sau muss in die­sen Kon­text ein­ge­ord­net und bewer­tet wer­den. Es geht eben nicht um die­sen Ein­zel­fall, son­dern um die Frage, ob die Andro­hung von rechts­extre­men oder rechts­po­pu­lis­ti­schen Demons­tra­tio­nen oder ande­ren Maß­nah­men dazu aus­rei­chen darf, dass Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen, Kon­zerte, Auf­füh­run­gen oder viel­leicht dem­nächst auch Lesun­gen oder Aus­stel­lun­gen nicht statt­fin­den kön­nen. Wir sind der Mei­nung, dass die gesamte Gesell­schaft gefor­dert ist, hier ein kla­res Nein ent­ge­gen­zu­set­zen. Und erfreu­li­cher­weise sind es viele Kul­tur­ein­rich­tun­gen, die mit ihrer Arbeit ein kla­res Signal gegen rechts und für eine welt­of­fene Gesell­schaft set­zen. Gerade auch in Chem­nitz und Köthen, um nur zwei Orte zu nen­nen, in denen es zu Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit rech­ter Gewalt kam, war es die Bür­ger­ge­sell­schaft und waren es die Kul­tur­in­sti­tu­tio­nen, die sich ein­deu­tig und unmiss­ver­ständ­lich posi­tio­niert haben. Bezo­gen auf Thea­ter und Orches­ter erklärte der Vor­sit­zende des künst­le­ri­schen Aus­schus­ses des Deut­schen Büh­nen­ver­eins Hol­ger Schultze im Okto­ber die­ses Jah­res: „Thea­ter und Orches­ter sind Orte der Öffent­lich­keit, die die Ver­ant­wor­tung haben, in die Gesell­schaft zu wir­ken und poli­tisch Hal­tung zu zei­gen. Das spü­ren wir heute deut­li­cher denn je“.

Die Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion, in der Insti­tu­tio­nen und Orga­ni­sa­tio­nen aus ver­schie­de­nen gesell­schaft­li­chen Berei­chen unter der Mode­ra­tion des Deut­schen Kul­tur­ra­tes zusam­men­ar­bei­ten, hat sich in ihren 15 The­sen unter www.kulturelle-integration.de/thesen unmiss­ver­ständ­lich für gesell­schaft­li­che Debat­ten, aber genauso ent­schie­den gegen Hass und Popu­lis­mus aus­ge­spro­chen. Zusam­men­halt in Viel­falt ist ihre Maxime.

Angst­ma­che und Ein­schüch­te­run­gen dür­fen in der Kul­tur nicht Platz grei­fen. Kunst, Kul­tur und Wis­sen­schaft sind frei. Die­ses Grund­recht gilt es zu ver­tei­di­gen. Es steht zu befürch­ten, dass hier in der Zukunft von allen mehr Soli­da­ri­tät gefor­dert ist. Soli­da­ri­tät gegen­über Kul­tur­in­sti­tu­tio­nen sowie ein­zel­nen Künst­le­rin­nen und Künst­lern, gegen die Stim­mung gemacht wird, denen mit dem Ent­zug der För­de­rung gedroht wird, die unter Druck gesetzt wer­den, weil sie Kunst machen, die ande­ren nicht passt.

Bemer­kens­wert an der Debatte und der Hal­tung des Chefs der Staats­kanz­lei und Kul­tur­mi­nis­ters Sach­sen-Anhalts Rai­ner Robra um das abge­sagte Kon­zert in Des­sau ist aller­dings, dass die Band Feine Sahne Fisch­fi­let als links­extre­mis­tisch bezeich­net wird und ihr rechts­extre­mis­ti­sche Demons­tra­tio­nen gegen­über­ge­stellt wer­den. Damit wird ein Bild wach­ge­ru­fen, als wür­den sich links- und rechts­extreme Grup­pen auf der Straße bekämp­fen, wie es zum Ende der Wei­ma­rer Repu­blik der Fall war. Doch ist die­ses Bild falsch und schief. Ja, es ist rich­tig, die Gruppe Feine Sahne Fisch­fi­let tauchte in den Jah­ren 2011 bis 2014 in den Ver­fas­sungs­schutz­be­rich­ten des Lan­des Meck­len­burg-Vor­pom­mern als links­extre­mis­tisch auf. Anlass war eine Lied­zeile aus einem Song. Die­ser Song wird von der Band nicht mehr gespielt und sie hat selbst erklärt, dass sie nicht mehr hin­ter der Lied­zeile steht. Doch weder wur­den Ton­trä­ger von die­ser Band indi­ziert, noch gab es offen­bar in den letz­ten Jah­ren Anlass für eine Beob­ach­tung durch den Ver­fas­sungs­schutz. Warum also wird die­ses Bild auf­ge­macht von einer „links­extre­men“ Band? Und warum wird so getan, als würde sich die links- und rechts­extre­mis­ti­sche Szene gleich­ge­wich­tig gegenüberstehen?

Der aktu­elle Bericht des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz, einer Behörde, die nicht im Ver­dacht steht, auf dem lin­ken Auge blind zu sein, weist für das Jahr 2017 20.520 rechts­extreme Straf- oder Gewalt­ta­ten auf, dem ste­hen 9.752 links­extre­mis­ti­sche Straf- oder Gewalt­ta­ten gegen­über. Reli­giös moti­vierte Straf- oder Gewalt­ta­ten, vulgo isla­mis­ti­scher Extre­mis­mus, mach­ten im Jahr 2017 907 Straf­ta­ten aus. Jede die­ser Straf­ta­ten ist eine zu viel. Den­noch zeigt der Ver­fas­sungs­schutz­be­richt unse­res Erach­tens, wo die Gefahr für die frei­heit­lich demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung in ers­ter Linie zu ver­or­ten ist, näm­lich im Rechtsextremismus.

Inter­es­san­ter­weise spielt hier Kunst und Kul­tur auch eine wich­tige Rolle. Der Jah­res­be­richt der Bun­des­prüf­stelle für jugend­ge­fähr­dende Medien, die Filme, Spiele, Ton­trä­ger, Print­me­dien und Online-Ange­bote indi­zie­ren kann, benennt unter ande­rem fol­gende Indi­zie­rungs­gründe für das Jahr 2017:
• 369 Gründe auf­grund von Por­no­gra­fie (dar­un­ter 180 „nor­male“ Por­no­gra­fie und 189 harte Por­no­gra­fie, also Kin­der-, Jugend-, Tier- oder Gewaltpornografie),
• 231 Gründe auf­grund von NS-Ver­herr­li­chung, Ras­sen­hass und Ähn­li­chem (dar­un­ter 101 NS-Gedan­ken­gut, 74 Anhei­zung zum Ras­sen­hass, 56 Volks­ver­het­zun­g/Ho­lo­caust-Leug­nung).

In fünf Fäl­len war der Indi­zie­rungs­grund im Übri­gen Auf­ruf zum Dschihad/Verherrlichung des Kamp­fes gegen Nicht­mus­lime. Links­extre­mis­mus war nicht ein ein­zi­ges Mal ein Grund für Indizierung.
Wenn also ein Bild von extre­mis­ti­scher Bedro­hung gemalt wird, soll­ten die rich­ti­gen Aus­sa­gen getrof­fen wer­den. Eine Bedro­hung geht vom Rechts­extre­mis­mus aus. Der Rechts­extre­mis­mus nimmt dabei Kunst und Kul­tur in den Blick und nutzt seine eige­nen künst­le­ri­schen Ver­brei­tungs­mög­lich­kei­ten – erin­nert sei in die­sem Zusam­men­hang an eine sehr leben­dige rechte Musikszene.

Das Gute ist aller­dings, dass bei allen Dro­hun­gen und Aus­sa­gen für das Volk spre­chen zu wol­len, Rechtsex­treme nicht die Mehr­heit stel­len. Die Mehr­heit der in Deutsch­land leben­den Men­schen will in einer soli­da­ri­schen, viel­fäl­ti­gen Gesell­schaft leben. Dies noch öfter zu zei­gen und gemein­sam hier­für ein­zu­tre­ten, ist eine wich­tige, gemein­same Auf­gabe. Las­sen wir uns nicht einschüchtern!

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 6/2018.

Von |2019-06-17T09:33:56+02:00Oktober 30th, 2018|Grundgesetz|Kommentare deaktiviert für

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Kunst und Kul­tur müs­sen Hal­tung bewahren

Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.