Deutsch­land spür­bar stär­ker machen

Teil­ha­ben und teil­ge­ben auch in der Kultur

Kul­tur ist das Fun­da­ment unse­res Zusam­men­le­bens. Das gilt für Kul­tur im enge­ren Sinne – Kunst, Lite­ra­tur, Musik, Film etc. – und im wei­te­ren Sinne von Sit­ten und Regeln: Klei­dung, Essen, Gast­freund­schaft, Ver­hält­nis von Män­nern und Frauen, Tole­ranz für andere Lebens­wei­sen und Mei­nun­gen. Kul­tur in Deutsch­land ist demo­kra­tisch und offen. Sie baut Brü­cken und schafft Räume, in denen Men­schen ein­an­der begeg­nen: Men­schen, die ähn­li­che Inter­es­sen haben, aber oft auch Men­schen, deren Wege sich sonst nicht kreuzen.

Kul­tur ent­steht und wird gelebt in dem, was Men­schen jeden Tag tun: pro­fes­sio­nell auf höchs­tem künst­le­ri­schen Niveau oder ein­fach im all­täg­li­chen Han­deln. Den­noch ent­steht und erhält sich Kul­tur nicht von selbst: Sie braucht Räume, Mög­lich­kei­ten, Unter­stüt­zung, nicht zuletzt oft auch Geld. Wenn Kul­tur das Fun­da­ment gesell­schaft­li­chen Zusam­men­le­bens ist, gibt es eine öffent­li­che Ver­ant­wor­tung für Kul­tur. Als öffent­li­ches Gut muss Kul­tur allen zugäng­lich sein: nicht nur denen, die schon von den Eltern an Kul­tur her­an­ge­führt wur­den. Nicht nur den­je­ni­gen, die für Kul­tur bezah­len kön­nen. Und nicht nur in den Städ­ten, son­dern auch auf dem Land.

Damit es jedes Kind packt
Für das Bun­des­mi­nis­te­rium für Fami­lie, Senio­ren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ist Teil­habe an Kul­tur ein wich­ti­ger Bestand­teil von frü­her För­de­rung und Bil­dung im Kin­des­al­ter. Ob Tanz, Thea­ter, Film oder Zir­kus: Die Kin­der und Jugend­li­chen, die damit in Berüh­rung kom­men, set­zen sich mit eige­nen und ande­ren The­men aus­ein­an­der, ler­nen, sich aus­zu­drü­cken, üben den Per­spek­tiv­wech­sel und rei­fen in ihrer Per­sön­lich­keit. Kul­tur hilft, selbst­be­stimmt den eige­nen Ort in der Welt zu fin­den. Mit dem Kin­der- und Jugend­plan unter­stüt­zen wir die kul­tu­relle Bil­dung und zivil­ge­sell­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen, die Kin­dern und Jugend­li­chen den Zugang zu Kul­tur leich­ter machen. Als Bun­des­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rin habe ich ein kla­res Ziel: Ich will, dass es jedes Kind packt, dass jedes Kind sei­nen Weg machen kann – unab­hän­gig vom Geld­beu­tel der Eltern. Es geht um Mit­ma­chen und Mit­ge­stal­ten, auch in der Kul­tur. Damit jedes Kind von Anfang an diese Mög­lich­kei­ten hat, legen wir die Grund­la­gen in der früh­kind­li­chen Bil­dung. Die Bun­des­re­gie­rung wird in den nächs­ten Jah­ren mas­siv in den Aus­bau und die Qua­li­tät der Kin­des­ta­ges­be­treu­ung inves­tie­ren. Zum ers­ten Mal betei­ligt sich der Bund nicht nur am Aus­bau, son­dern auch dau­er­haft und ver­läss­lich an der Ver­bes­se­rung der Qua­li­tät in Kitas und in der Kin­der­ta­ges­pflege vor Ort. 5,5 Mil­li­ar­den Euro ste­hen hier­für bis 2022 bereit. Damit stel­len wir sicher, dass alle Kin­der früh geför­dert wer­den und einen guten Start bekom­men. Egal, woher sie kom­men oder wel­che Vor­aus­set­zun­gen sie mit­brin­gen. Und weil es nach der Kita wei­ter­ge­hen muss, wer­den wir dar­über hin­aus zwei Mil­li­ar­den Euro in den Aus­bau der Ganz­tags­schu­len inves­tie­ren. Damit jedes Talent ent­deckt und geför­dert wird.

Wir küm­mern uns um die Küm­me­rer – im Enga­ge­ment und in den sozia­len Berufen
In Deutsch­land enga­gie­ren sich über 30 Mil­lio­nen Men­schen ehren­amt­lich. Ob als Lese­pa­tin, als Schieds­rich­ter oder als Chor­lei­te­rin, ob im Dorf­kino, beim Kiez­fest oder im Schüt­zen­ver­ein. Im Bereich der Kul­tur macht das ehren­amt­li­che Enga­ge­ment von etwa neun Mil­lio­nen Men­schen die Viel­falt und Qua­li­tät der Ange­bote oft erst mög­lich. Nicht viel weni­ger Men­schen, näm­lich acht Mil­lio­nen, enga­gie­ren sich für Geflüch­tete: Sie neh­men Men­schen auf, orga­ni­sie­ren Deutsch­kurse und Klei­der­spen­den, über­neh­men Paten­schaf­ten und hel­fen geflüch­te­ten Men­schen, in Deutsch­land zurecht­zu­kom­men. Ob im all­täg­li­chen Mit­ein­an­der oder wenn Not am Mann ist: Men­schen enga­gie­ren sich, weil ihnen ihre Nach­bar­schaft, ihr Stadt­teil, ihre Region, ihre Mit­men­schen ein Anlie­gen sind, weil ihnen das große Ganze am Her­zen liegt. Weil sie Werte haben, die sie selbst ganz kon­kret leben wol­len. Bür­ger­schaft­li­ches Enga­ge­ment in all sei­nen For­men gehört zur Kul­tur in Deutsch­land, zur Kul­tur im Sinne geteil­ter Regeln und Bedeu­tun­gen. Teil­ha­ben zu kön­nen, erfor­dert auch, den eige­nen Teil zu geben und sich zu engagieren.

Enga­gierte wie­derum brau­chen Wert­schät­zung, Aner­ken­nung und gute Rah­men­be­din­gun­gen. Damit sie nicht in Büro­kra­tie ertrin­ken, son­dern sich um ihre Anlie­gen küm­mern kön­nen. Als Enga­ge­ment­mi­nis­te­rium för­dern wir Enga­ge­ment gemein­sam mit Orga­ni­sa­tio­nen der Zivil­ge­sell­schaft und der Wirt­schaft: im Dia­log, auf Augen­höhe und im gegen­sei­ti­gen Ver­trauen. Z. B. mit dem Pro­gramm „Demo­kra­tie leben!“: 2018 stär­ken wir mit 120 Mil­lio­nen Euro den­je­ni­gen den Rücken, die sich tag­täg­lich für ein lebens­wer­tes, viel­fäl­ti­ges und demo­kra­ti­sches Mit­ein­an­der ein­set­zen. Ob als Initia­tive, Ver­ein und als enga­gierte Bür­ge­rin­nen und Bür­ger; ob in Orga­ni­sa­tio­nen, die bun­des­weit tätig sind, oder auf Ebene der Län­der und der Kom­mu­nen: Hier enga­gie­ren sich Men­schen für die demo­kra­ti­sche Kul­tur in Deutsch­land. Und weil Demo­kra­tie­ar­beit Pla­nungs­si­cher­heit braucht, haben wir das Pro­gramm ent­fris­tet und über 2019 hin­aus verlängert.

Im Koali­ti­ons­ver­trag haben wir uns dar­auf ver­stän­digt, bestehende Rege­lun­gen zu ent­bü­ro­kra­ti­sie­ren, die digi­ta­len Kom­pe­ten­zen zu stär­ken und bei der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung von Ver­ei­nen, Ver­bän­den und Stif­tun­gen kon­krete Unter­stüt­zung zu leis­ten. Das Instru­ment dafür ist die Deut­sche Enga­ge­ment­stif­tung. Ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment wird wahr­ge­nom­men. Es wird wert­ge­schätzt. Es erfährt die Unter­stüt­zung, die es braucht. Als Enga­ge­ment­mi­nis­te­rium ist das unser Auf­trag: Wir küm­mern uns um die Kümmerer.

Küm­me­rer, das sind auch die Erzie­he­rin­nen und Erzie­her, Pfle­ge­rin­nen und Pfle­ger, die Fach­kräfte in den sozia­len Beru­fen. In Bera­tungs­stel­len und sozia­len Ein­rich­tun­gen, in Kitas, Kran­ken­häu­sern und Pfle­ge­hei­men arbei­ten 5,7 Mil­lio­nen Beschäf­tigte. Gebraucht wer­den deut­lich mehr: Pro­fis mit guten Qua­li­fi­ka­tio­nen und hoher Moti­va­tion, deren Arbeit das Anse­hen hat, das sie ver­dient. Dafür aber sind bes­sere Rah­men­be­din­gun­gen, bes­sere Aus­bil­dungs­be­din­gun­gen und bes­sere Löhne nötig. Wir wol­len das Schul­geld für die Sozial- und Gesund­heits­be­rufe abschaf­fen. Weil nie­mand sich die Frage stel­len soll, ob er oder sie es sich über­haupt leis­ten kann, einen sozia­len Beruf zu erler­nen. In der „Kon­zer­tier­ten Aktion Pflege“ küm­mert sich das Bun­des­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rium des­halb gemein­sam mit dem Arbeits- und dem Gesund­heits­mi­nis­te­rium um die Fach­kräfte in der Altenpflege.

Frauen kön­nen alles
80 Pro­zent der Beschäf­tig­ten im sozia­len Bereich sind Frauen. Die sozia­len Berufe auf­zu­wer­ten, ist auch ein Bei­trag zur Gleich­stel­lung von Frauen und Män­nern und ein Instru­ment gegen die Lohn­lü­cke: Frauen bekom­men im Schnitt 21 Pro­zent weni­ger Geld pro Stunde für ihre Arbeit als Män­ner. Dabei zei­gen Frauen jeden Tag, dass sie zu allem fähig sind: Frauen kön­nen Maschi­nen bauen und sich um Men­schen küm­mern, Kin­der erzie­hen und Unter­neh­men füh­ren. Sie kön­nen Film­pro­du­zen­tin wer­den – oder Rich­te­rin oder Inten­dan­tin. Frauen sind Vor­sit­zende von Ver­ei­nen, Ver­bän­den und Jurys. Frauen kön­nen ihr eige­nes Leben leben, selbst­be­stimmt. Frauen kön­nen alles: Das ist ein Leit­satz für die Gleich­stel­lungs­po­li­tik. Kon­kret heißt das: Frauen haben ein Recht auf einen Platz am Tisch der Unter­neh­mens­füh­rung, sie haben ein Recht auf glei­che Bezah­lung, sie haben ein Recht auf ein Leben frei von Gewalt. Des­halb wer­den wir ein Akti­ons­pro­gramm auf­le­gen, mit dem unter ande­rem die Frau­en­häu­ser, Zufluchts­woh­nun­gen und beglei­ten­den Ange­bote für Frauen, die Gewalt erlebt haben, Unter­stüt­zung bekom­men. Frauen haben auch ein Recht auf gleich­be­rech­tigte Teil­habe in Kunst, Kul­tur und Medien. Das betrifft die Beset­zung von Kom­mis­sio­nen, Jurys und Gre­mien im Kul­tur- und Medi­en­be­trieb genauso wie die Ver­gabe von För­de­run­gen und künst­le­ri­schen Auf­trä­gen. Wie in der Wirt­schaft gilt auch im Kul­tur­be­trieb: Wer die Per­spek­tive von Frauen aus­blen­det, ver­gibt Poten­zial. Wenn wir auf Dauer erfolg­reich sein wol­len, müs­sen wir dafür sor­gen, dass Frauen und Män­ner glei­cher­ma­ßen reprä­sen­tiert sind.

Und das glei­che gilt für Jün­gere und Ältere, Ost­deut­sche und West­deut­sche, Men­schen mit mehr als einer Natio­na­li­tät und Mut­ter­spra­che. Die Viel­falt von Lebens­for­men, Kul­tu­ren und Welt­an­schau­un­gen berei­chert unser Land. Und wo wird das deut­li­cher als in Kunst und Kul­tur! Den Deut­schen Film­preis 2018 etwa hat die deutsch-fran­zö­sisch-ira­ni­sche Regis­seu­rin und Ber­li­ne­rin Emily Atef erhal­ten. Marc Fors­ter, einer der erfolg­reichs­ten deut­schen Sän­ger unse­rer Zeit, heißt mit bür­ger­li­chem Namen Marc Ćwiert­nia. Ob im Film oder in der Musik: Viel­falt berei­chert Kul­tur. Eine viel­fäl­tige Kul­tur wie­derum berei­chert unser Land. Sie öff­net Wel­ten, sie ermög­licht Per­spek­tiv­wech­sel, und sie gibt allen einen Raum, um ihre Geschichte zu erzäh­len. Eine Kul­tur von allen und für alle macht Deutsch­land spür­bar stärker.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 5/2018.

Von |2019-06-17T11:16:27+02:00September 6th, 2018|Bürgerschaftliches Engagement|Kommentare deaktiviert für

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Teil­ha­ben und teil­ge­ben auch in der Kultur

Franziska Giffey ist Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.