Mei­nungs­frei­heit auf Sächsisch

Unge­wöhn­li­che Erfah­run­gen bei der Prä­sen­ta­tion des Buches "Unter Sachsen"

Ja, es gibt sie, die Mei­nungs­frei­heit in Deutsch­land, doch es gibt sie kei­nes­wegs über­all im Land und nicht im glei­chen Maße. Dies muss­ten wir im letz­ten Jahr fest­stel­len, als wir eine Lese­reise zum Buch der Her­aus­ge­ber Heike Kleff­ner und Mat­thias Meis­ner orga­ni­sier­ten, das sich in 50 Bei­trä­gen mit den über­durch­schnitt­lich vie­len Gewalt­ta­ten gegen­über Flücht­lin­gen im Frei­staat Sach­sen beschäf­tigt. Behan­delt wer­den darin die Ver­bal­at­ta­cken gegen Mus­lime auf den Dresd­ner Pegida-Demons­tra­tio­nen genauso wie die Über­griffe auf junge Aus­län­der in Leip­zig oder der Brand­an­schlag auf eine – zum Glück noch nicht bezo­gene – Asyl­un­ter­kunft in Mei­ßen. Neben der wüten­den Abwehr von allem Frem­den durch einen Teil der Gesell­schaft wer­den zugleich auch die Initia­ti­ven der Zivil­ge­sell­schaft zur Unter­stüt­zung der gefähr­de­ten Men­schen dar­ge­stellt. Alles in allem ein dif­fe­ren­zie­ren­des und viel­schich­ti­ges Buch, das in den Rezen­sio­nen der gro­ßen Medien durch­gän­gig posi­tiv bewer­tet wurde.

Nicht so in Sach­sen selbst: Zu unse­rer Buch­pre­miere im Thea­ter in Dres­den wurde uns Poli­zei­schutz emp­foh­len, da sich im Inter­net rechte Grup­pen ver­ab­re­det hät­ten, die Ver­an­stal­tung zu stö­ren. Die uni­for­mier­ten Kol­le­gen pos­tier­ten sich dann gut sicht­bar mit Mann­schafts­wa­gen vor dem Neuen Schau­spiel, sodass die Abschre­ckung Wir­kung zeigte. Die Podi­ums­dis­kus­sion mit Betrof­fe­nen konnte ohne Pro­bleme über die Bühne gehen.

Anders ent­wi­ckelte sich die Situa­tion im nahe gele­ge­nen Mei­ßen. Dort wollte der städ­ti­sche Kul­tur­ver­ein mit einer Lesung und anschlie­ßen­der Dis­kus­sion zum Buch das jähr­li­che Lite­ra­tur­fes­ti­val im his­to­ri­schen Rat­haus­saal eröff­nen, des­sen Schirm­herr der par­tei­lose Bür­ger­meis­ter ist, der über die Liste der CDU ins Amt gekom­men war. Doch nun empörte sich ein CDU-Abge­ord­ne­ter laut­stark im Inter­net und for­derte: „Die­ser Dreck darf in unse­rem Rat­haus nicht gele­sen wer­den!“ Dem schloss sich sofort die AfD an, die in dem Buch ein Sach­sen-Bas­hing sah und unschöne Wahr­hei­ten über die geliebte Hei­mat. Schließ­lich ent­schied der Bür­ger­meis­ter, dass die Ver­an­stal­tung statt­fin­den könne, doch nur unter der Bedin­gung, dass aus dem Buch zwar gele­sen, nicht aber über den Inhalt poli­tisch dis­ku­tiert werde. Das mache man sich ein­mal bewusst: Über eines der bren­nends­ten poli­ti­schen The­men in der deut­schen Gesell­schaft darf in einem deut­schen Rat­haus nicht öffent­lich gespro­chen werden!

Schließ­lich erschien dann zur Ver­an­stal­tung auch der stell­ver­tre­tende Regie­rungs­chef Sach­sens, der SPD-Wirt­schafts­mi­nis­ter Mar­tin Dulig, sodass für ent­spre­chende Sicher­heit durch die Poli­zei ohne­hin gesorgt war. Die Pöb­ler und Zwi­schen­ru­fer im Saal fan­den zudem keine Unter­stüt­zung bei der Mehr­heit der Anwe­sen­den, die sich deut­lich auf die Seite der kri­ti­schen Autoren auf dem Podium stell­ten. Dar­un­ter befand sich auch der Bür­ger­recht­ler und lang­jäh­rige Lei­ter der Säch­si­schen Lan­des­zen­trale für poli­ti­sche Bil­dung Frank Rich­ter, der von dem Ver­hal­ten sei­ner CDU der­art ent­setzt war, dass er anschlie­ßend aus der Par­tei aus­trat und nun­mehr als unab­hän­gi­ger Kan­di­dat bei den Bür­ger­meis­ter­wah­len in Mei­ßen im Sep­tem­ber gegen den bis­he­ri­gen Amts­in­ha­ber antritt. Er will sich für mehr Mei­nungs­frei­heit in Sach­sen einsetzen.

Die­ser Text ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 5/2018.

Von |2019-06-13T09:25:33+02:00September 4th, 2018|Heimat|Kommentare deaktiviert für

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Unge­wöhn­li­che Erfah­run­gen bei der Prä­sen­ta­tion des Buches "Unter Sachsen"

Christoph Links ist Verleger und Sprecher der IG Meinungsfreiheit im Börsenverein des Deutschen Buchhandels.