Rede der Kul­tur­staats­mi­nis­te­rin Monika Grüt­ters bei der Jah­res­ta­gung der Initia­tive Kul­tu­relle Integration

An mei­nen letz­ten offi­zi­el­len Ter­min hier im Jüdi­schen Museum erin­nere ich mich gerne: Im ver­gan­ge­nen Dezem­ber durfte ich die aktu­elle Aus­stel­lung „Wel­come to Jeru­sa­lem“ eröff­nen, die mich sehr beein­druckt hat und die ich Ihnen wärms­tens ans Herz legen kann: Sie hilft, die Kon­flikte im Nahen Osten bes­ser zu ver­ste­hen, ist aber auch eine mah­nende Erin­ne­rung daran, welch kost­bare Errun­gen­schaft es ist, in reli­giö­ser Viel­falt fried­lich zusam­men­zu­le­ben. Um „Zusam­men­halt in Viel­falt“ geht es auch bei der heu­ti­gen Jah­res­ta­gung der Initia­tive Kul­tu­relle Inte­gra­tion, zu der ich Sie (als Schirm­her­rin der Initia­tive) herz­lich begrüße. Als Ort, der nicht nur der jüdi­schen Kul­tur und Geschichte, son­dern auch dem Nach­den­ken über Ver­stän­di­gung und Tole­ranz gewid­met ist, bie­tet das Jüdi­sche Museum einen wun­der­ba­ren Rah­men, um zu sagen „Gib mir ein Zeichen“.

Dass die­sem Auf­ruf des Deut­schen Kul­tur­rats für die gleich­na­mige Mit­mach­ak­tion sage und schreibe 780 Bür­ge­rin­nen und Bür­ger gefolgt sind, freut mich sehr! Ihnen allen danke ich für ihre tol­len Ideen – und mein herz­li­cher Dank gilt auch dem Deut­schen Kul­tur­rat, der Jury und den Mit­glie­dern der Initia­tive Kul­tu­relle Inte­gra­tion, die sich uner­müd­lich für den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt enga­gie­ren, getra­gen von der Über­zeu­gung, dass die­ser nur durch kul­tu­relle Inte­gra­tion gelin­gen kann. Es ist mir daher auch sehr wich­tig, dass ich die Initia­tive wei­ter­hin mit Mit­teln aus mei­nem Etat unter­stüt­zen kann. Mit ihren im ver­gan­ge­nen Jahr ver­öf­fent­lich­ten 15 The­sen zur kul­tu­rel­len Inte­gra­tion hat die Initia­tive einen gesell­schafts­po­li­ti­schen Mei­len­stein gesetzt. Bemer­kens­wert ist nicht nur ihr Inhalt – eine Refle­xion grund­le­gen­der Prin­zi­pien, Werte und Gepflo­gen­hei­ten -, son­dern auch ihre Exis­tenz als sol­che. Denn die Ver­stän­di­gung dar­auf ist bei so unter­schied­li­chen Gesprächs­part­nern wahr­lich keine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Staat, Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten, Medien, Sozi­al­part­ner, Migran­ten­ver­bände – sie alle stim­men, so unter­schied­lich ihre Hal­tung ansons­ten sein mag, in die­sen 15 The­sen über­ein und über­neh­men Ver­ant­wor­tung dafür, sie mit Leben zu füllen.

Dar­über ins Gespräch zu kom­men, wel­che Iden­ti­täts­merk­male wir als Gesell­schaft ver­tre­ten und ver­mit­teln wol­len, ist und bleibt drin­gend not­wen­dig – allein schon des­halb, weil die Kon­fron­ta­tion mit frem­den Lebens­wei­sen und Welt­an­schau­un­gen vie­ler­orts dif­fuse Ängste aus­löst. Diese Ängste und auch das weit ver­brei­tete Bedürf­nis nach Selbst­ver­ge­wis­se­rung soll­ten wir nicht den Popu­lis­ten und Natio­na­lis­ten über­las­sen. Über gemein­same Werte und für alle ver­bind­li­che Regeln zu dis­ku­tie­ren, ist und bleibt aber auch des­halb not­wen­dig, weil die in vie­ler­lei Hin­sicht berei­chernde Viel­falt einer welt­of­fe­nen Gesell­schaft eben nicht in jeder Hin­sicht unpro­ble­ma­tisch ist – zum Bei­spiel wenn Men­schen, die hier hei­misch wer­den wol­len, von einem in ihren Her­kunfts­län­dern weit ver­brei­te­ten Anti­se­mi­tis­mus geprägt sind, oder wenn Men­schen, die hier hei­misch sind,
die sicher geglaub­ten Stan­dards unse­res Zusam­men­le­bens durch ihre Frem­den­feind­lich­keit mit Füßen treten.

Diese Stan­dards unse­res Zusam­men­le­bens in 15 The­sen zu for­mu­lie­ren, war der erste Schritt – und der zweite war der Auf­ruf „Gib mir ein Zei­chen“, die Suche nach einem Zei­chen, das unser gemein­sa­mes Anlie­gen „Zusam­men­halt in Viel­falt“ auf den Punkt bringt. Dar­über hin­aus wol­len wir in der Initia­tive Kul­tu­relle Inte­gra­tion aber nicht nur Worte und Zei­chen für sich spre­chen las­sen, son­dern diese Worte und Zei­chen auch mit Leben fül­len. Kul­tu­relle Pro­jekte und Kul­tur­ein­rich­tun­gen kön­nen, davon bin ich über­zeugt, unse­ren demo­kra­ti­schen Wer­ten auch jen­seits argu­men­ta­ti­ver Aus­ein­an­der-set­zung Gehör ver­schaf­fen und Über­zeu­gungs­kraft verleihen.

Das bestä­tigt die gerade ver­öf­fent­lichte Stu­die der Deut­schen UNESCO-Kom­mis­sion und der Ber­tels­mann Stif­tung „Kunst in der Ein­wan­de­rungs­ge­sell­schaft“, über die Sie viel­leicht auch in der Zei­tung gele­sen haben. Im Vor­wort zur Stu­die wird übri­gens auch unsere Initia­tive Kul­tu­relle Inte­gra­tion gewür­digt. Vor allem bestä­tigt sie, dass gerade inter­kul­tu­relle Kunst-, Film-, Thea­ter- und Lite­ra­tur­pro­jekte das wech­sel­sei­tige Ver­ständ­nis und die Bereit­schaft zur Ver­stän­di­gung sehr erfolg­reich för­dern – und dass die Mög­lich­kei­ten dafür bei wei­tem noch nicht aus­ge­schöpft sind.

Des­halb möchte ich mit mei­ner Kul­tur­po­li­tik dazu bei­tra­gen, die Kraft der Kul­tur noch mehr als bis­her für Ver­stän­di­gung und Zusam­men­halt frucht­bar zu machen – sei es mit den Pro­jek­ten, die wir im Rah­men des aktu­el­len Euro­päi­schen Kul­tur­er­be­jah­res för­dern, sei es mit dem Preis für Kul­tu­relle Bil­dung, den mein Haus ein­mal jähr­lich ver­leiht, sei es mit mei­nem För­der­pro­gramm „Ver­mitt­lung und Inte­gra­tion“ zur Öff­nung von Kul­tur­ein­rich­tun­gen. Last but not least wird 2019 das Hum­boldt Forum seine Pfor­ten öff­nen – das größte und bedeu­tendste Kul­tur­vor­ha­ben des Bun­des, ein Museum der Welt­kul­tu­ren und ein Forum der Ver­stän­di­gung über kul­tu­relle Gren­zen hin­weg. Dar­über hin­aus braucht Zusam­men­halt in Viel­falt aber auch Ihr Enga­ge­ment, meine Damen und Her­ren. Des­halb bitte ich Sie: Nut­zen auch Sie die Kraft der Kul­tur! Gemein­sam kön­nen wir der Viel­falt in Deutsch­land eine Hei­mat geben.

Kul­tu­relle Inte­gra­tion braucht bei­des: einer­seits die Frage nach Hei­mat, nach iden­ti­täts­stif­ten­den Merk­ma­len; ande­rer­seits den Blick über den Tel­ler­rand hin­aus, die Offen­heit für das Andere, noch Fremde. Die Jour­na­lis­tin Susanne Beyer hat es kürz­lich in einem Arti­kel im SPIEGEL schön auf den Punkt gebracht: „Ver­trau­tes schafft Ori­en­tie­rung“, schreibt sie. Wenn Men­schen (…) etwas fremd ist, dann zeigt sich darin erst ein­mal eine nor­male Reak­tion: näm­lich, dass ihnen etwas neu ist. Wenn Men­schen mit dem Neuen ihre Erfah­run­gen gemacht haben, gute und schlechte, dann ist mit der Zeit das Neue jeden­falls nicht mehr fremd. Irgend­wann wird es viel­leicht sogar ver­traut sein.“ Kul­tu­relle Inte­gra­tion heißt, Ori­en­tie­rung im Ver­trau­ten zu schaf­fen und Offen­heit für das Neue zu wecken. In die­sem Sinne: Mögen die The­sen der Initia­tive Kul­tu­relle Inte­gra­tion mit dem Titel „Zusam­men­halt in Viel­falt“ zu den kul­tu­rel­len Lern­erfah­run­gen bei­tra­gen, die eine plu­ra­lis­ti­sche Gesell­schaft ebenso sehr braucht wie klare und für alle ver­bind­li­che Regeln! Ich freue mich auf einen anre­gen­den Aus­tausch mit Ihnen!

Von |2019-06-15T13:18:02+02:00Mai 29th, 2018|Meldung|Kommentare deaktiviert für Rede der Kul­tur­staats­mi­nis­te­rin Monika Grüt­ters bei der Jah­res­ta­gung der Initia­tive Kul­tu­relle Integration
Monika Grütters, MdB ist Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.