Vielfalt macht unser Land stark. Deutschlands Geschichte ist seit vielen Jahrhunderten auch eine Geschichte von Zuwanderung und gelungener Integration. Carl Zuckmayer hat dies am Beispiel meiner Heimat – dem Rheinland – sehr anschaulich beschrieben. Dort, in der Mitte Europas, kommen Menschen mit ganz unterschiedlicher Herkunft, Sprache, Religion und kultureller Prägung seit jeher zusammen. Aus dieser Vielfalt erwachsen neue Ideen, Fortschritt und viel Kreativität. Dies sind entscheidende Grundlagen für den Erfolg Deutschlands – auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
Zuwanderung und Integration erfordern Anstrengungen – von den Menschen, die zu uns kommen, aber auch von den Menschen, die bereits in Deutschland leben. Wir müssen uns verständigen: Welche Werte sind in unserer Gesellschaft unverletzlich? Welche Regeln prägen unser Gemeinwesen? Ich bin überzeugt, dass wir Erwartungen an diejenigen, die neu zu uns kommen, formulieren dürfen, ja sogar müssen. Assimilation ist jedoch nicht das Ziel dieses Dialogs, sondern ein tragfähiger gesellschaftlicher Konsens. Erfolgreiche Integration zeichnet sich dadurch aus, dass aus gesellschaftlicher Vielfalt Zusammengehörigkeit und Zusammenhalt erwachsen.
Dazugehören, das bedeutet in unserer Gesellschaft vor allem auch, am Arbeitsleben teilzuhaben. Deutschland ist im besten Sinne eine Arbeitsgesellschaft. Arbeit leistet viel mehr, als nur die wirtschaftliche Existenz zu sichern: Wo Menschen zusammenarbeiten, entsteht Gemeinsinn durch zusammen überwundene Herausforderungen und gemeinsame Erfolge. Arbeit integriert, weil sie gesellschaftliche Anerkennung schafft und Selbstwertgefühl vermittelt. Umfragen unter geflüchteten Menschen bestätigen auf eindrucksvolle Weise, wie sehr sich die Menschen eine Arbeit und Aufgabe wünschen. Sie wollen nicht Bittsteller sein, sie wollen dazugehören und ihre Talente einbringen.
Das Erlernen der deutschen Sprache ist dafür die Grundvoraussetzung. Ohne Sprachkenntnisse sind das Zusammenarbeiten und Zusammenleben nicht möglich. Es ist besonders wichtig, dass Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und Geduldete ohne Arbeitsverbot schnell Sprachkursangebote erhalten. Für Flüchtlingskinder muss eine bundesweite Schulpflicht nach drei Monaten gelten. So geben wir ihnen eine Chance, möglichst schnell in unserer Gesellschaft Fuß zu fassen und aus Fremden zu Nachbarn und Freunden zu werden.
Arbeitgeber und Kollegen tragen für die Integration von geflüchteten Menschen in unsere Gesellschaft erheblich bei. Überall in Deutschland geben große wie kleine Betriebe geflüchteten Menschen eine Perspektive – durch Praktika, Ausbildungsplätze und Beschäftigung. Überall in Deutschland stellen sich Unternehmer zusammen mit ihren Mitarbeitern gegen Fremdenfeindlichkeit, Vorurteile und Hass. Zahlreiche Integrationsprojekte machen deutlich: Es kommt nicht auf die Größe an. Bereits der Handwerksmeister, der einem einzigen Geflüchteten eine Ausbildungschance gibt, steht beispielgebend für das Engagement und die Überzeugung der Wirtschaft insgesamt.
Integration richtet sich nicht allein an Zuwanderer oder geflüchtete Menschen. Vielmehr müssen wir uns viel stärker darum bemühen, dass sich alle Menschen in Deutschland zugehörig und für unsere Gesellschaft verantwortlich fühlen. Gerade darin liegen die große Chance und die Aufgabe der „Initiative kulturelle Integration“. In der öffentlichen Debatte wird immer stärker polarisiert, nicht selten verroht auch die Sprache – letzteres nicht nur in den sozialen Netzwerken. Wir müssen uns dieser gesellschaftlichen Entwicklung mit aller Entschlossenheit entgegenstellen, weil sie die Grundlagen unseres friedlichen Zusammenlebens gefährdet. Dies erfordert, dass wir uns auch denjenigen zuwenden, die Veränderungen skeptisch gegenüberstehen. Ich sehe dabei Politik, Wirtschaft und Gesellschaft noch stärker in der Pflicht: Sie müssen Entscheidungen erklären und Folgen von vermeintlich einfachen Alternativen oder Scheinlösungen klar benennen. Weltoffenheit ist für Deutschland ein wichtiger, auch wirtschaftlicher Erfolgsfaktor. Auch das muss in der öffentlichen Debatte noch stärker verdeutlicht werden. Auf diese Weise kann dem Populismus der Boden entzogen werden und wieder mehr Sachlichkeit in die Debatte einziehen – egal, ob es um Zuwanderung oder andere wichtige Fragen geht.
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung um die Integration der geflüchteten Menschen sollten wir als Chance begreifen, den Zusammenhalt aller zu festigen. Wenn uns das gelingt, werden wir die Herausforderungen nicht nur meistern, sondern stärker dastehen als vorher. Dies wünsche ich mir und hoffe, dass die „Initiative kulturelle Integration“ dazu einen wichtigen Beitrag leistet.