Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion: Vor­stel­lung der Arbeits­weise und der 15 Thesen

Eine Rede von Olaf Zim­mer­mann, Mode­ra­tor der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion & Geschäfts­füh­rer des Deut­schen Kul­tur­ra­tes am 16. Mai 2017 in der Stif­tung Bran­den­bur­ger Tor

Sehr geehr­ter Herr Minis­ter de Maizière,
sehr geehrte Frau Staats­mi­nis­te­rin Grütters,
sehr geehrte Frau Staats­mi­nis­te­rin Özoğuz,
sehr geehr­ter Herr Staats­se­kre­tär Albrecht,
sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Mit­strei­te­rin­nen und Mit­strei­ter in der Initia­tive kul­tu­relle Integration,

auch ich freue mich, dass Sie heute hier sind und ganz beson­ders freue ich mich, dass es uns gelun­gen ist, in der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion die 15 The­sen „Zusam­men­halt in Viel­falt“ in weni­gen Mona­ten zu for­mu­lie­ren und zu ver­ab­schie­den. Diese The­sen wol­len auf­zei­gen, wie durch kul­tu­relle Inte­gra­tion mehr Zusam­men­halt in der Gesell­schaft ent­ste­hen kann. Es geht des­halb in die­sen The­sen auch nicht nur um die Inte­gra­tion der Flücht­linge, son­dern um den Zusam­men­halt aller Men­schen, die in unse­rem Land leben, ob kurz oder lang!

Ent­stan­den ist die Idee, The­sen zum gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt und zur kul­tu­rel­len Inte­gra­tion zu erar­bei­ten, beim Flücht­lings­gip­fel der Bun­des­kanz­le­rin im Früh­jahr 2016.

Minis­ter de Mai­zière sprach damals über die Gefah­ren des wei­te­ren Aus­ein­an­der­drif­tens der Gesell­schaft. Er sagte, dass man mehr über Werte und Tugen­den als ver­bin­dende Ele­mente spre­chen müsste. Alles fasste er unter dem Begriff der Leit­kul­tur zusam­men. Ich wider­sprach im damals hef­tig, nicht wegen der Bedeu­tung der Werte und Tugen­den, son­dern wegen des Gebrauchs des poli­tisch ver­brann­ten Begrif­fes Leit­kul­tur. Aus dem klei­nen Dis­put erwuchs die gemein­same Idee, in einem grö­ße­ren Rah­men sich damit zu befas­sen, was unsere Gesell­schaft zusam­men­hält und wel­che Rolle kul­tu­relle Inte­gra­tion dabei spielt.

Sehr schnell konnte das Bun­des­mi­nis­te­rium für Arbeit und Sozia­les, als das neben dem Innen­mi­nis­te­rium für Inte­gra­ti­ons­fra­gen in der Bun­des­re­gie­rung zustän­di­gem Res­sort für die Fra­ge­stel­lung gewon­nen wer­den, genauso wie die Kul­tur­staats­mi­nis­te­rin und die Integrationsbeauftragte.

Gemein­sam haben wir uns ver­stän­digt, Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter aus fol­gen­den gesell­schaft­li­chen Berei­chen zur Mit­ar­beit einzuladen:

  • Län­der, ver­tre­ten durch die Kultusministerkonferenz,
  • Kom­mu­nale Spitzenverbände,
  • Kir­chen und Religionsgemeinschaften,
  • Sozi­al­part­ner,
  • Medien,
  • Zivil­ge­sell­schaft ein­schließ­lich der Migrantenorganisationen.

Ganz beson­ders gefreut hat mich, dass alle 23 Insti­tu­tio­nen, die bezüg­lich ihrer Mit­wir­kung ange­fragt wur­den, direkt zuge­sagt haben. Nie­mand hat uns einen Korb gegeben.

Ganz beson­ders dan­ken möchte ich Kul­tur­staats­mi­nis­te­rin Monika Grüt­ters, die inner­halb der Bun­des­re­gie­rung für die Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion die Feder­füh­rung inne­hat und die den Deut­schen Kul­tur­rat bei sei­ner Mode­ra­ti­ons­auf­gabe tat­kräf­tig unter­stützt hat.

Als Deut­scher Kul­tur­rat hat­ten wir eine Dop­pel­rolle: wir sind Mit­glied der Initia­tive und wir sind Mode­ra­tor der Initiative.

Im Dezem­ber 2016 fand das erste Tref­fen im Bun­des­kanz­ler­amt statt, bei dem das Thema ver­mes­sen wurde.

In vier wei­te­ren Tref­fen haben wir die The­sen ausgearbeitet.
Gleich zu Beginn haben wir uns dar­auf ver­stän­digt, den Begriff der Leit­kul­tur nicht zu verwenden.

Wei­ter haben wir ver­ein­bart, zwi­schen Wer­ten und grund­ge­setz­li­chen Nor­men sowie Tugen­den, Gewohn­hei­ten und Gebräu­chen zu unterscheiden.

Diese Tren­nung fin­den Sie auch in den ers­ten bei­den The­sen. Die erste These nimmt auf das Grund­ge­setz Bezug, die zweite These grenzt hier­von Gewohn­hei­ten ab. Wich­tig ist uns, dass das Grund­ge­setz, das gerade in den ers­ten 20 Arti­keln unver­rück­bare Prin­zi­pen des Zusam­men­le­bens beschreibt, alleine nicht aus­rei­chend ist, um gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt herzustellen.

In der drit­ten These beschrie­ben wir die Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit als einen Eck­pfei­ler unse­res Zusammenlebens.

Klar war sehr schnell, dass sich mit der Rolle von Reli­gion und vor allem von Kir­chen und Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten aus­ein­an­der­ge­setzt wer­den muss. Die Bedeu­tung von Kir­chen und Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten für das gesell­schaft­li­che Leben wird in der vier­ten These deut­lich her­aus­ge­stellt. Aber auch die Frei­heit jedes Ein­zel­nen ohne Reli­gion zu leben wird bekräftigt.

Die Bedeu­tung der Kunst­frei­heit fin­den sich in der These 5. Hier wird auch noch ein­mal dar­auf hin­ge­wie­sen, dass wir uns als Initia­tive auf den UNESCO-Kul­tur­be­griff stützen.

In These 6 wird dar­auf abge­ho­ben, dass eine plu­ra­lis­ti­sche Gesell­schaft von demo­kra­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen lebt. Hierzu gehört für mich eine leben­dige Streit­kul­tur, die aber letzt­lich nur denk­bar ist, wenn die Mei­nungs­frei­heit gesi­chert ist.

Noch in der letz­ten Sit­zung der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion wurde darum gerun­gen, ob Deutsch­land ein Ein­wan­de­rungs­land ist. Die These 7 lau­tet daher: Ein­wan­de­rung und Inte­gra­tion gehö­ren zu unse­rer Geschichte. In der Erläu­te­rung ist der klare Satz zu lesen: Deutsch­land ist ein Einwanderungsland.

These 8 und 9 befas­sen sich mit dem Zusam­men­le­ben in der Gesell­schaft. In These 8 wird klar­ge­stellt, dass Tole­ranz zu einer frei­heit­li­chen Gesell­schaft gehört. Unsere Gesell­schaft ver­langt jedem ab, Ansich­ten und Lebens­for­men zu tole­rie­ren, die einem selbst nicht gefallen.

These 9 unter­streicht, dass die Par­la­men­ta­ri­sche Demo­kra­tie vom Enga­ge­ment der Ein­zel­nen lebt. Demo­kra­tie ent­steht nicht durch Zuschauen, son­dern ver­langt Mitmachen.

In These 10 wird auf das bür­ger­schaft­li­che Enga­ge­ment Bezug genom­men. Bür­ger­schaft­li­ches Enga­ge­ment ist gelebte Demo­kra­tie. Bür­ger­schaft­li­ches Enga­ge­ment heißt, sich für den Nächs­ten oder für die Gesell­schaft zu enga­gie­ren. Es fin­det in ganz unter­schied­li­chen Zusam­men­hän­gen statt und ist für die Gesell­schaft unverzichtbar.

In den The­sen 11 und 12 neh­men wir die Bil­dung und spe­zi­ell die kul­tu­relle Bil­dung in den Blick. In These 11 wird unter­stri­chen, dass der Zugang zu Bil­dung mit Blick auf die Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung, aber auch für den Zugang zum Arbeits­markt von gro­ßer Bedeu­tung sind. Kul­tu­relle Bil­dung kann dabei einen beson­de­ren Bei­trag zur Inte­gra­tion leisten.

In These 12 wird ver­deut­licht, dass der Zugang zur deut­schen Spra­che für die gelin­gende Inte­gra­tion von gro­ßer Bedeu­tung ist.

Von Anfang an bestand kein Zwei­fel in der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion, dass die inten­sive Aus­ein­an­der­set­zung mit der Geschichte zur kul­tu­rel­len Inte­gra­tion gehört. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit unse­rer Geschichte, spe­zi­ell mit der Shoah ist nie abge­schlos­sen. Die Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion hat jed­we­der Schluss­strich­de­batte in der These 13 eine deut­li­che Absage erteilt. Es muss viel­mehr darum gehen, Geschichte immer wie­der neu zu ver­mit­teln. Denn jeder Mensch, der in Deutsch­land lebt, ist Teil der deut­schen Geschichte.

These 14 befasst sich mit der Erwerbs­ar­beit. Erwerbs­ar­beit hat eine große Bedeu­tung für die Inte­gra­tion: Erwerbs­ar­beit ist mehr als Geld­erwerb. Erwerbs­ar­beit bedeu­tet das Zusam­men­ar­bei­ten mit Kol­le­gen, Erwerbs­ar­beit stif­tet Stolz und Zugehörigkeit.

In These 15 schließ­lich wird betont, dass kul­tu­relle Viel­falt eine Stärke ist. Kul­tu­relle Viel­falt ist einer­seits eine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Ande­rer­seits kann kul­tu­relle Viel­falt her­aus­for­dernd sein. In der These wird for­mu­liert, dass gerade kul­tu­relle Inte­gra­tion einen Bei­trag dazu leis­ten kann, Ängste in Neu­gier zu verwandeln.

Sehr geehrte Damen und Herren,

  • wir wol­len eine ernst­hafte Debatte befördern,
  • wir wol­len keine neuen Schlag­zei­len pro­du­zie­ren, die der Idee der Inte­gra­tion letzt­lich zuwiderlaufen,
  • wir wol­len kein Stroh­feuer ent­zün­den, son­dern dau­er­hafte gesell­schaft­li­che Dis­kus­sion anstoßen.

Ich behaupte unsere 15 The­sen spie­geln einen brei­ten Kon­sens in unse­rer Gesell­schaft wider.

Die Mit­glie­der der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion laden alle Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, aber auch alle Ver­eine und Orga­ni­sa­tio­nen ein, sich unse­ren The­sen auf der Home­page der Initia­tive (http://kulturelle-integration.de/thesen/) anzu­schlie­ßen. Ich hoffe sehr, dass viele Bür­ge­rin­nen und Bür­ger von die­ser Mit­zeich­nungs­mög­lich­keit Gebrauch machen und damit zei­gen, dass sie für „Zusam­men­halt in Viel­falt“ eintreten.

Vie­len Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Von |2019-06-17T16:16:02+02:00Mai 16th, 2017|Meldung|Kommentare deaktiviert für

Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion: Vor­stel­lung der Arbeits­weise und der 15 Thesen

Eine Rede von Olaf Zim­mer­mann, Mode­ra­tor der Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion & Geschäfts­füh­rer des Deut­schen Kul­tur­ra­tes am 16. Mai 2017 in der Stif­tung Bran­den­bur­ger Tor

Die überparteiliche Initiative kulturelle Integration ist ein breites Bündnis aus 28 Organisationen der Zivilgesellschaft, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Medien, Sozialpartner, Länder und kommunalen Spitzenverbände.