„Wenn ich etwas nicht tue – dann wird es nicht getan“

Die Kul­tur-Unter­neh­me­rin Ulrike Lorenz kennt Ost und West

Die Kunst­his­to­ri­ke­rin Ulrike Lorenz lei­tet nach Sta­tio­nen an den unter­schied­lichs­ten Museen in ganz Deutsch­land seit Som­mer die­ses Jah­res die Klas­sik Stif­tung Wei­mar. Wie­der zurück in ihrem Hei­mat-Bun­des­land spricht Lorenz mit Hans Jes­sen über ihre Ost-West-Perspektive.

Hans Jes­sen: Frau Lorenz, Sie stam­men aus Gera. Dort hat­ten Sie auch, nach dem Stu­dium in Leip­zig, Ihre erste Stelle als Muse­ums­di­rek­to­rin. Pro­mo­tion in Wei­mar, anschlie­ßend Muse­ums­lei­tun­gen in Regens­burg und Mann­heim. Seit August 2019 sind Sie wie­der in Wei­mar – als Prä­si­den­tin der Klas­sik Stif­tung Wei­mar. Das ist eine Art Rund­reise durch Deutsch­land: Ost, Süd, West – nun wie­der Ost. Sind Sie das klas­si­sche Bei­spiel für eine Ost-West-Perspektive?
Ulrike Lorenz: Per­sön­lich liegt mir eine sol­che Per­spek­tive fern. Ich bin in der DDR gebo­ren und auf­ge­wach­sen, habe die 13 ent­schei­den­den ers­ten Arbeits­jahre in Gera ver­bracht. Sozu­sa­gen im „mitt­le­ren Osten“ des zukünf­tig ver­ein­ten Deutsch­lands. Dann habe ich mich auf die Socken gemacht, weil ich auch noch was ande­res ken­nen­ler­nen wollte.
Wenn ich das so sagen darf: Ich bin an mei­ner Selbst­ent­fal­tung inter­es­siert. Ich wollte mir immer auch andere Per­spek­ti­ven und Rah­men­be­din­gun­gen angu­cken und sehen, ob ich darin etwas tauge. Über mei­nem DDR-Schreib­tisch hatte ich eine Post­karte von Joseph Beuys mit dem Satz hän­gen: „Es gibt Leute, die sind nur in der DDR gut“. Das war für mich immer der Anstoß, raus­zu­ge­hen und zu sehen, ob ich auch woan­ders gut bin.

Gera, Regens­burg, Mann­heim, jetzt Wei­mar: Aus allen bis­he­ri­gen Arbeits­sta­tio­nen wird berich­tet, dass Sie eine »Power­frau« seien, die mit unge­heu­rem Elan kon­zep­tio­nelle Vor­stel­lun­gen ent­wi­ckelt und die dann auch durch­setzt. Hat die­ser starke Ver­än­de­rungs­wille mit Wende- und Bruch­er­fah­run­gen zu tun?
Ich bin Hand­wer­ker­toch­ter. Mein Vater, Groß­va­ter, Urgroß­va­ter waren Gold­schmiede, mein Bru­der ist Gold­schmied. Wir sind in einem täti­gen, pro­tes­tan­ti­schen DDR-Haus­halt auf­ge­wach­sen. Da zählte Leis­tung, nicht Geschwätz – also das, was am Ende raus­kommt. Eine wich­tige Kind­heits­prä­gung. Dann aber, das stimmt, war die Wende ein his­to­ri­sches Ereig­nis. Ich habe daran an einer win­zi­gen Stelle mit­ge­ar­bei­tet, war früh im Neuen Forum. Die­ses Land war unsere Hei­mat – nicht ohne Bruch, wir haben uns immer anders defi­niert als der Staat: Der war dort, und wir waren hier. Und wir haben nie so viel gelacht, wie am Ende der DDR. Das abso­lut Absurde des All­tags­ge­sche­hens lag für uns als junge Intel­lek­tu­elle auf der Hand. Da hat uns auch keine Stasi mehr behin­dern kön­nen. Es gab eine große Lust, ins Leben ein­zu­tau­chen. Diese Lust „vor­an­zu­ma­chen“, hat uns in die Wende rein­ge­trie­ben. Zu spü­ren, wie in weni­gen Wochen und Mona­ten alles auf der Schneide stand; zwi­schen „Wir sind das Volk“ und „Wir sind ein Volk“ lag nicht viel Zeit. Eine ent­schei­dende Erfah­rung dabei war: Wenn ich etwas nicht tue – dann wird es nicht getan. Also muss ich es tun. Wir muss­ten z.B. ler­nen, öffent­lich zu spre­chen. Das war uns wahr­lich nicht in die Wiege gelegt wor­den. Die­ses Gefühl, dass ich es bin, die etwas ver­än­dern kann, habe ich mitgenommen.
Im Früh­jahr 1990 habe ich mich aber bewusst für mei­nen Beruf ent­schie­den. Für einen kur­zen his­to­ri­schen Moment war ja alles mög­lich in die­ser Wende-DDR. Man hätte auch in die Poli­tik gehen kön­nen. Aber ich habe beob­ach­tet, wer sich dann alles plötz­lich andockte an das Forum und die run­den Tische, da waren dann schnell auch mal wie­der die fal­schen Leute dabei, dafür hat­ten wir ein fei­nes Gespür.
Kunst­ge­schichte war für mich immer eine fröh­li­che Wis­sen­schaft: Zutiefst sinn­lich, hat mit der Welt zu tun, mit Gestal­tung – ich habe meine ganze Ener­gie in den Beruf gesteckt. Es war ein Glücks­fall, dass mir dann ein klei­ner Direk­to­ren­pos­ten ange­bo­ten wurde. Ich habe es gewagt: „lear­ning by doing“. Nach der Anfangs­angst ging das dann immer bes­ser und so wuchs der feste Wunsch: Ich möchte in die alten Bun­des­län­der. Ich wollte unbe­dingt aus mei­ner Vater­stadt raus, das kannte ich nun alles bes­tens. Ich wollte in die Welt und das war dann erst mal Regens­burg in Bay­ern. Ich wollte sehen, ob das, was ich in Gera gelernt hatte – ein klei­nes Museum sich neu defi­nie­ren zu las­sen, die Leute mit­zu­neh­men, Pro­gramm zu gestal­ten – auch in einem grö­ße­ren Rah­men und einem mir frem­den sozia­len Umfeld funktioniert.

Sie wech­sel­ten als Direk­to­rin an die Ost­deut­sche Gale­rie Regensburg …
Wie­der ein Glücks­fall: Das Haus war mir vom Inhalt her nicht ganz fremd: 19. und 20. Jahr­hun­dert. Eine poli­ti­sche Auf­gabe: Ost­deut­sche Gale­rie – was ist hier eigent­lich ost­deutsch? Das hatte mit den Geburts­or­ten der Künst­ler im heu­ti­gen Ost­mit­tel­eu­ropa zu tun. Ich bin da selbst­be­wusst ran­ge­gan­gen: nicht scham­ro­tes „Ver­trie­ben­en­thema“, son­dern Zen­trum unse­rer Auf­gabe und krea­tiv was draus machen: Wir inter­pre­tie­ren das ein­fach neu. So ist es uns in ganz kur­zer Zeit gelun­gen, das Forum Ost­deut­sche Gale­rie als DAS Kunst­mu­seum in Ost­bay­ern neu auf­zu­stel­len, es wie­der in die Her­zen der Bevöl­ke­rung zu brin­gen, die das vor­her als eine Art Ufo ange­se­hen hat. Und schließ­lich der Gegen­wart­s­an­satz: nicht ste­hen blei­ben beim his­to­ri­schen Auf­trag, son­dern die heu­ti­gen hoch­span­nen­den Kunst­sze­nen in Tsche­chien, in Polen, im Bal­ti­kum in den Fokus rücken.

Eine Neu­aus­rich­tung haben Sie auch an der nächs­ten Berufs­sta­tion durch­ge­setzt. Die Kunst­halle Mann­heim ist eines der ganz frü­hen deut­schen „Bür­ger­mu­seen“. Sie haben einen Neu­bau im Rah­men des vor­ge­se­he­nen Bud­gets rea­li­siert, wie auch im Zeit­plan – was nicht jedem gelingt. Ihr kon­zep­tio­nel­ler Ansatz hier: Kunst und Museen müs­sen eine neue Rolle als Orte des gesell­schaft­li­chen Dis­kur­ses spielen.
Das lag in Mann­heim nahe, weil die­ses Haus eine exzep­tio­nelle sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Geschichte hat. In der Grün­dungs­zeit war das Volks­bil­dung, Teil eines Zukunfts­bil­des der Arbei­ter. Die gab es in Mann­heim mas­sen­haft, und sie stan­den im Zen­trum der För­de­rung des Indus­trie­bür­ger­tums, das eine hoch­qua­li­fi­zierte Arbei­ter­schaft für ihre Unter­neh­men brauchte und sagte: „Wir öff­nen den kul­tu­rel­len Hori­zont für alle Schich­ten der Gesell­schaft.“ Die­sen Impuls haben wir auf­ge­nom­men: „Kunst­halle für alle“ – habe ich es etwas zuge­spitzt. Wie öff­net man eine Qua­li­täts­samm­lung moder­ner Kunst, die zunächst nur für wenige gedacht war, für die ganze Gesell­schaft? Diese Grün­dungs­frage des Muse­ums haben wir neu defi­niert unter den Bedin­gun­gen des 21. Jahrhunderts.
Die eigent­li­che Leis­tung bestand weni­ger darin, einen Neu­bau im Bud­get- und Zeit­rah­men fer­tig zu stel­len, son­dern ein Kon­zept für die­sen Neu­bau zu ent­wi­ckeln. Im Mit­tel­punkt stand die Vor­stel­lung von Museum als ein offe­ner Ort des Aus­tauschs, ein Schutz­raum auch für kon­tro­verse Dis­kurse. Die offene Archi­tek­tur defi­nier­ten wir als „Stadt in der Stadt“, dort hin­ein haben wir das „Museum in Bewe­gung“ skulp­tiert. In der Samm­lung kei­nen lang­wei­li­gen „Gän­se­marsch der Stile“, son­dern ganz andere Geschich­ten, die an exis­ten­zi­elle Fra­gen der Men­schen heute anknüpfen.

Die Klas­sik Stif­tung Wei­mar umfasst 27 Insti­tu­tio­nen, von der Biblio­thek über Lite­ra­tur­ar­chive, das Bau­haus-Museum bis zu Schlös­sern und Parks. In Ihrer Antritts­rede als Prä­si­den­tin Mitte August erklär­ten Sie ziem­lich offen­siv, die Stif­tung müsse „offe­ner, zukunfts­ori­en­tier­ter – und poli­ti­scher“ wer­den. Dafür gab es minu­ten­lan­gen Bei­fall. Was von Ihrem für ein­zelne Museen ent­wi­ckel­ten Ansatz geht unter den Bedin­gun­gen der Stif­tung als Dachorganisation?
Es geht wesent­lich mehr, als ich am Anfang dachte. Zwar wer­den wir hier sehr viel mehr Mühe rein­ste­cken müs­sen und es wird viel­leicht etwas län­ger dau­ern, aber es ist zutiefst not­wen­dig. Selbst für eine sol­che kom­plexe Groß­or­ga­ni­sa­tion, wie es die Klas­sik Stif­tung Wei­mar ist, die über 500 Jahre Kul­tur- und Geis­tes­ge­schichte bewahrt, ist es abso­lut sinn­voll, die Viel­falt der Erb­schaf­ten in unse­rer heu­ti­gen Per­spek­tive zu bear­bei­ten. Das begreife ich selbst erst nach und nach. In den ers­ten 100 Tagen habe ich zahl­lose Gesprä­che mit Direk­to­ren und Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen geführt. Ich bin noch immer nicht ganz durch, habe aber schon ein plas­ti­sche­res Bild als noch bei mei­ner Antritts­rede. Da war es eher eine Theo­rie zu sagen: Ich pro­biere das mal. Sie fra­gen die 10.000 Dol­lar-Frage. Die stelle ich mir sel­ber auch: Geht das über­haupt? Mitt­ler­weile bin ich der Mei­nung: Es ist das Min­deste an Anspruch, was wir als eine große, öffent­lich geför­derte Kul­tur­stif­tung in Deutsch­land haben müs­sen. Diese Trans­for­ma­tion geht, weil wir auch in Wei­mar mit Samm­lun­gen, mit Objek­ten arbei­ten. Diese Objekte sind Ori­gi­nale. Ori­gi­nale haben die ein­ma­lige Eigen­schaft, dass sie, je nach Per­spek­tive des Fra­gen­den, neue Ant­wor­ten preis­ge­ben. Wir bewah­ren diese Objekte, ganz gleich ob es nun Gemälde, Hand­schrif­ten, Wie­gen­dru­cke oder his­to­ri­sche Parks sind, mit gro­ßem Auf­wand – aber es ist auch unsere Auf­gabe, sie mit unse­ren bren­nen­den Fra­gen des 21. Jahr­hun­derts zu kon­fron­tie­ren: Wie wol­len wir zusam­men­le­ben? Was kön­nen wir vom Umgang mit der Natur im 18. Jahr­hun­dert ler­nen? Wie ent­steht Neues? – und auf die Ant­wor­ten zu hören, die wir manch­mal auch raus­kit­zeln müssen.

Ihre Arbeit fin­det nicht im poli­tisch luft­lee­ren Raum statt. Bei den jüngs­ten Land­tags­wah­len haben poli­tisch reak­tio­näre, zum Teil frem­den­feind­li­che Kräfte an Zustim­mung gewonnen.
Der AfD-Frak­ti­ons­vor­sit­zende Alex­an­der Gau­land bezeich­net Johann Wolf­gang von Goe­the als einen Inbe­griff deut­scher Kul­tur, auf die er stolz sei.
Ihre For­de­rung nach Poli­ti­sie­rung auch der klas­si­schen Kunst steht dem dia­me­tral entgegen.
Das sind zwei kom­ple­men­täre Auf­fas­sun­gen. Umso wich­ti­ger ist, dass wir nicht feh­len. Wir dür­fen rück­wärts­ge­wand­ten Kräf­ten in der Gesell­schaft, die dezi­diert anti­de­mo­kra­tisch argu­men­tie­ren, nicht das Feld über­las­sen. Erst recht nicht bei The­men, die kon­tro­vers sind: Iden­ti­tät, Hei­mat, Kunst. Die Klas­sik Stif­tung Wei­mar ist ein fan­tas­ti­sches Bei­spiel dafür, was es heißt, aus einer Viel­zahl von Impul­sen und Prä­gun­gen, auch inter­na­tio­na­len Ein­flüs­sen, etwas zu for­men, was Kunst wird. Wir sind das Bei­spiel dafür, wie aus Viel­falt, vor der man keine Angst haben muss, die man genie­ßen kann, Ant­wor­ten, auch Trost, zu fil­tern sind. Was heißt Iden­ti­tät? Was macht uns aus? Homo­gen war nie. Das ist ein fehl­ge­lei­te­tes Geschichts­bild. Wir sind eine Zusam­men­set­zung aus ver­schie­de­nen »Her­künf­ten«. Nur das macht uns reich. Die gro­ßen Gewährs­klas­si­ker Goe­the, Schil­ler, Her­der, Wie­land waren Men­schen, die uns vor­ge­macht haben, wie Frem­des, Vor­bild­haf­tes, Viel­fäl­ti­ges durch den Fil­ter der per­sön­li­chen Wahr­neh­mung hin­durch­ge­gan­gen ist und zu einem unver­wech­sel­bar eige­nen Aus­druck ver­schmol­zen wurde. Mit Ein­heits- und Rein­heits­vor­stel­lun­gen hatte das nie etwas zu tun.

Wei­mar ist der Ort, wo Goe­the und Buchen­wald, Bau­haus und Natio­nal­ver­samm­lung geschichts­träch­tig untrenn­bar mit­ein­an­der ver­wo­ben sind. Was bedeu­tet das für die Arbeit der Stiftung?
Aus die­sem extre­men Span­nungs­feld, das hier auf engs­tem Raum zusam­men­kommt, erwächst unsere Ver­ant­wor­tung. Die Span­nung zwi­schen Wei­ma­rer Klas­sik, Klas­si­scher Moderne und Buchen­wald müs­sen wir aus­hal­ten. Es ist ein Wider­spruch, den wir nicht lösen, aber bear­bei­ten kön­nen. Wir machen ihn zum Aus­gangs­punkt unse­rer Selbst­ent­wick­lung als Kul­tur­in­sti­tu­tion. Es ist eine bri­sante, exis­ten­zi­elle Rei­bung, die wir nicht weg­bü­geln, son­dern her­aus­kris­tal­li­sie­ren. Das ist die Auf­ga­ben­stel­lung. Genau hin­schauen: Wie ist das geworden?
Ich bin her­ge­kom­men mit der Vor­stel­lung, dass wir es bei Klas­sik und Buchen­wald – bei­des Sym­bole für gesell­schaft­li­che Gesamt­kon­zepte – mit Anti­no­mien zu tun haben. Aber es ist genauer hin­zu­schauen und zu fra­gen: Wie hängt das mit­ein­an­der zusam­men? Da wird es dann erst rich­tig unge­müt­lich. In diese Tie­fen­schich­tung müs­sen wir eindringen.
Das ist meine Vor­stel­lung von der Klas­sik Stif­tung: Wir sind nicht nur eine Gedächt­nis­in­sti­tu­tion, die sich im bewah­ren­den Ges­tus und in beglü­cken­den Har­mo­nien erschöpft, son­dern wir machen die geis­ti­gen Res­sour­cen, die wir hüten, zum Roh­stoff unse­res Wei­ter­den­kens. Das ist Pro­vi­ant für den Weg in die Zukunft.

Was unter­schei­det das Wei­mar, in dem Sie vor 20 Jah­ren pro­mo­viert haben, von dem Wei­mar, wie Sie es heute erle­ben? Ist es, wie man­che aus Wahl­er­geb­nis­sen her­aus­le­sen, hin­ter den Auf­bruchs­geist zurückgegangen?
Nein. Das wäre eine ein­sei­tige Per­spek­tive, zu der man kom­men kann, wenn man die – auch durch Medien gefil­ter­ten – der­zei­ti­gen Dis­kus­sio­nen erlebt, die stark von einem Ent­täu­schungs­mo­ment getra­gen sind. Ich erlebe vor Ort ande­res. Wei­mar ist sicher in einer pri­vi­le­gier­ten Lage. Wir sind mit einer unge­heu­ren kul­tu­rel­len Dichte geseg­net. Diese Stadt hat so viel gewon­nen, wie auch die neuen Bun­des­län­der ins­ge­samt gewon­nen haben in die­sen 30 Jah­ren. Man muss daran erin­nern: Wo sind wir gestar­tet? Es war ein Hil­fe­ruf wei­ter Teile der DDR-Bevöl­ke­rung, rasch und sicher an die Bun­des­re­pu­blik ange­glie­dert zu wer­den. Natür­lich haben sich viele was ande­res vor­ge­stellt – aber es ist auch unend­lich viel gelun­gen: die Ver­bes­se­rung des Lebens­ni­veaus und unse­rer natür­li­chen Umwelt, die Ret­tung der his­to­ri­schen Bau­sub­stanz gan­zer Städte, Frei­zü­gig­keit, Recht­staat­lich­keit, die Welt­läu­fig­keit der jün­ge­ren Gene­ra­tion. Dar­auf kann man doch stolz sein – und tat­kräf­tig wei­ter in die Zukunft gehen.

Wel­che Ihrer West-Erfah­run­gen nut­zen in Wei­mar besonders?
Zum einen viel­leicht die Erfah­rung, Men­schen, die durch unter­schied­li­che Sozia­li­sa­tio­nen geprägt sind, zur gemein­sa­men Bewäl­ti­gung einer Auf­gabe zu bewe­gen. Ich bringe mit, dass das geht.
Zum Zwei­ten die Beob­ach­tung, dass es einen Typ Mensch gibt, dem ich mich zutiefst ver­bun­den fühle. Das ist der Unter­neh­mer: Jemand, der etwas unter­nimmt. Ich konnte das aus nächs­ter Nähe ver­fol­gen in Mann­heim. Den Neu­bau eines Muse­ums macht kei­ner allein, es braucht mutige Mit­tä­ter, die es ver­trau­ens­voll wagen, in eine offene, nicht defi­nierte Zukunft zu gehen, die gemein­sam gestal­tet wird. Das ist in der Kul­tur gar nicht so sehr anders als in der Wirt­schaft: der kraft­volle Umgang mit Rea­li­tät als einer zu for­men­den Tex­tur. In die­sem Sinne bin ich viel­leicht eine Kultur-Unternehmerin.

Vie­len Dank.

Die­ses Inter­view ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 12/2019-01/2020.

Von |2019-12-20T13:12:29+01:00Dezember 20th, 2019|Heimat|Kommentare deaktiviert für

„Wenn ich etwas nicht tue – dann wird es nicht getan“

Die Kul­tur-Unter­neh­me­rin Ulrike Lorenz kennt Ost und West

Ulrike Lorenz ist Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar. Hans Jessen ist freier Journalist und ehemaliger ARD-Hauptstadtkorrespondent.