Tyron Ricketts

Tyron Ricketts ist Schau­spie­ler, Musi­ker und Pro­du­zent. In den letz­ten 25 Jah­ren hat er in mehr als 60 Fil­men mit­ge­spielt – oft jedoch in Rol­len des „Kli­schee-Schwar­zen“. Dabei wurde Ricketts in Öster­reich gebo­ren und ist in Öster­reich und Deutsch­land aufgewachsen.

Mit sei­ner Pro­duk­ti­ons­firma Pan­ther­tain­ment möchte er den Fokus auf Peo­ple of Color legen und Geschich­ten wie­der­ge­ben, in denen Diver­si­tät als Nor­ma­li­tät dar­ge­stellt wird. Vie­len Dank, Tyron Ricketts, für den Ein­satz gegen Dis­kri­mi­nie­rung und für mehr Vielfalt.

Im Jahr 1995 grün­de­ten Sie die Pro­duk­ti­ons­firma Pan­ther­tain­ment. Anfangs haben Sie noch TV-For­mate für den Musik­sen­der VIVA pro­du­ziert und ein Künst­ler­ma­nage­ment für Afro-Deut­sche ange­bo­ten. Seit 2017 haben Sie Pan­ther­tain­ment neu aus­ge­rich­tet. Auf wel­che The­men und For­mate kon­zen­trie­ren Sie sich aktuell?
Pan­ther­tain­ment pro­du­ziert Filme, Serien und Kurz­for­mate mit dem Fokus auf Geschich­ten von Peo­ple of Color. Es ist uns wich­tig, eine Alter­na­tive zu dem über­wie­gend euro­zen­tri­schen Blick­win­kel auf die Welt zu kre­ieren. Peo­ple of Color sind bei uns das Sub­jekt und wer­den nicht, wie so oft, nur als das Objekt dar­ge­stellt. In einer zuneh­mend ver­netz­ten Welt ist diese neue Sicht­weise in Fil­men und Serien not­wen­dig, um welt­weit kon­kur­renz­fä­hig zu sein.

„Das Sys­tem, auf dem das deut­sche Fern­seh­pro­gramm auf­baut, ist veraltet.“

Deutsch­land ist ein plu­ra­les Land, doch die Diver­si­tät der Gesell­schaft spie­gelt sich im Film- und Fern­seh­pro­gramm noch nicht wirk­lich wider. Woran liegt das Ihrer Mei­nung nach, dass die gesell­schaft­li­che Viel­falt in der Medi­en­land­schaft noch nicht wirk­lich prä­sent ist?
Das Sys­tem, auf dem das deut­sche Fern­seh­pro­gramm auf­baut, ist ver­al­tet: ange­fan­gen bei der Art, wie die Ein­schalt­quote gemes­sen wird, über die Art, wie und über wen Geschich­ten erzählt wer­den, bis hin zu den mitt­ler­weile sehr alten Zuschau­ern. Jeder vierte Bür­ger in Deutsch­land hat einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund und sieht und fühlt sich nicht mehr vom TV-Pro­gramm reprä­sen­tiert. Video on Demand zeigt hier erfri­schende Alternativen.

Mit Pan­ther­tain­ment wol­len Sie den Blick­win­kel der Erzähl­weise ändern und eth­no­kul­tu­relle Kli­schees auf­lö­sen. Wie errei­chen Sie die­ses Vorhaben?
Mit Pan­ther­tain­ment erzäh­len wir rele­vante und uni­ver­selle Geschich­ten, die ganz selbst­ver­ständ­lich die Sicht­weise von sonst mar­gi­na­li­sier­ten Grup­pen ein­neh­men. Was im Aus­land funk­tio­niert, kann heut­zu­tage auch in Deutsch­land funk­tio­nie­ren. Diver­si­tät als Nor­ma­li­tät ist die Devise.

„Oft schafft eine gut erzählte Geschichte mehr Ver­ständ­nis als jede noch so gute poli­ti­sche Rede.“

Sie haben vier Jahre in den USA gelebt und Erfah­run­gen in der inter­na­tio­na­len Film­bran­che sowie im Social Media Bereich und wäh­rend Anti­ras­sis­mus-Kam­pa­gnen gesam­melt. Seit 2017 sind Sie wie­der in Deutsch­land. Wie beein­flus­sen die Ein­drü­cke und Erfah­run­gen aus den USA Ihre Arbeit hier in Deutschland?
Ins­be­son­dere meine Zusam­men­ar­beit mit Harry Bel­a­fonte hat mir auf­ge­zeigt, wie wich­tig Enter­tain­ment sein kann, um Ein­fluss auf soziale Gerech­tig­keit in der Gesell­schaft aus­zu­üben. Oft schafft eine gut erzählte Geschichte, die die Gefühle der Zuschauer anspricht, mehr Ver­ständ­nis als jede noch so gute poli­ti­sche Rede. Die Geschichte kommt ohne den erho­be­nen Zei­ge­fin­ger aus. Ver­ständ­nis schafft Akzep­tanz. Am Ende des Tages wol­len alle Men­schen nur gut und in Frie­den leben.

Was bedeu­tet für Sie per­sön­lich „Zusam­men­halt in Vielfalt“?
Wir sind an einem Punkt ange­kom­men, an dem die Her­aus­for­de­run­gen, denen wir uns als Welt­ge­mein­schaft aus­ge­setzt sehen, nicht mehr gelöst wer­den kön­nen, ohne das „Wir/Ihr Den­ken“ zu been­den. Kli­ma­wan­del und Flücht­lings­sze­na­rien blei­ben nicht mehr, wie frü­her, unbe­merkt außer­halb der Euro­päi­schen Gren­zen, son­dern kom­men auch zu uns. Die Mensch­heit muss gemein­sam Lösun­gen für die Ver­tei­lung von Res­sour­cen fin­den, sonst fliegt uns allen, eher frü­her als spä­ter, unsere Welt um die Ohren. Ist nicht ein ers­ter wich­ti­ger Schritt, dass weiße Men­schen ver­ste­hen, dass sie ihre geschicht­lich begrün­dete Über­le­gen­heits­fan­ta­sie auf­ge­ben müs­sen. Dies gilt für die böse gemein­ten (Ras­sis­mus) sowie die gut gemein­ten (gön­ner­hafte Bevor­mun­dung) Aus­wüchse davon. Wann hat Colum­bus Ame­rika ent­deckt? 1492? Die eigent­li­che Frage ist, ob man ein Land über­haupt ent­de­cken kann, wenn dort schon lange Men­schen gelebt haben. Wie kann es sein, dass afri­ka­ni­sche Men­schen im Mit­tel­meer zu Tau­sen­den ertrin­ken, aber Tag und Nacht Hub­schrau­ber Pas­sa­giere von Deck flie­gen, wenn in Nor­we­gen ein Kreuz­fahrt­schiff in See­not gerät. Das meine ich, wenn ich von einer euro­zen­tri­schen Welt­sicht spre­che. Ich bin mir sicher, dass wir die Zukunft nur als ver­einte Mensch­heit bewäl­ti­gen kön­nen – ohne den Wert der Men­schen wei­ter nach „Weiß“ und nicht „nicht Weiß“ zu bemessen.

Vie­len Dank!

Wei­tere Infor­ma­tio­nen zu Tyron Ricketts und Pan­ther­tain­ment fin­den Sie hier.

Von |2020-07-07T15:49:45+02:00August 1st, 2019|Menschen|Kommentare deaktiviert für Tyron Ricketts