Klare Kante zeigen

Hass­rede auch im Netz entgegentreten

Die Ama­deu Anto­nio Stif­tung ist von Hass­rede in sozia­len Netz­wer­ken betrof­fen – und stellt sich dem ent­schie­den mit Auf­klä­rung und Trans­pa­renz ent­ge­gen. The­resa Brüh­eim spricht mit dem Geschäfts­füh­rer Timo Reinfrank.

The­resa Brüh­eim: Die Ama­deu Anto­nio Stif­tung ist Ziel von Hass­rede im Netz. Kön­nen Sie bitte berich­ten, wie das in der Pra­xis aussieht.
Timo Reinfrank: Wir wer­den immer wie­der Ziel von punk­tu­el­lem, aber auch orches­trier­tem Hass in den sozia­len Netz­wer­ken. Da geht es einer­seits um unsere Arbeit, ande­rer­seits auch um gezielte und sehr per­sön­li­che Angriffe auf Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen. Wir wer­den zum Ziel, weil wir uns als Akteu­rin klar posi­tio­nie­ren und eine Aus­ein­an­der­set­zung auf Basis demo­kra­ti­scher Stan­dards suchen. Uns ist es dabei wich­tig, klare Kante zu zei­gen. Das erwar­ten wir auch von ande­ren. Wir brau­chen mehr Akteure, die sich klar posi­tio­nie­ren und gleich­zei­tig auch die Gesprächs­be­rei­ten auf­fan­gen. Wir ver­su­chen die enga­gier­ten Nut­zer zu ermu­ti­gen. Das betrifft auch immer die Leute, die mit­le­sen. Es muss eine demo­kra­ti­sche Com­mu­nity in den sozia­len Netz­wer­ken ent­ste­hen, die ein­an­der beglei­tet und schützt.

Aktu­ell ist die Demo­kra­tie in Deutsch­land sehr gefähr­det durch eine neue rechts­ra­di­kale For­ma­tion mit der AfD als par­la­men­ta­ri­schem Arm. Sicher geglaubte demo­kra­ti­sche Grund­sätze wer­den infrage gestellt. Wir beob­ach­ten, dass das gerade das deutsch­spra­chige Netz sehr stark von rechts­al­ter­na­ti­ven Akteu­ren auch aus dem Umfeld der AfD bestimmt wird. Die­ser orga­ni­sierte Hass prägt sehr stark die Stim­mung in sozia­len Netz­wer­ken. Gerade in den letz­ten fünf Jah­ren haben des­we­gen viele Akteure bei­spiels­weise aus der Frau­en­ar­beit oder aus der Arbeit mit Men­schen mit Behin­de­rung, aber auch jüdi­sche Per­so­nen oder Ange­hö­rige der Sinti-und-Roma-Com­mu­nity den sozia­len Netz­wer­ken den Rücken gekehrt. Zum Hass kom­men die geziel­ten Angriffe: Die harm­lo­seste Vari­ante ist die Ver­öf­fent­li­chung von per­sön­li­chen Vor­lie­ben bis hin zur Wohn­adresse, dass auch unter dem Begriff Doxing bekannt ist.

Arbei­ten Sie auch mit den Betrei­bern der Netz­werke zusammen?
Ja, wir bera­ten sie, was uns immer viel Kri­tik ein­bringt. Viele fra­gen: „Wie könnt ihr mit denen zusam­men­ar­bei­ten?“ Wir ant­wor­ten: „Warum soll­ten wir es nicht tun, wenn das wirk­mäch­tig ist?“ Mein Gefühl ist, die Platt­for­men sind ansprech­bar. Sie sehen die Pro­bleme. Aber das löst das Pro­blem natür­lich nicht. Wir brau­chen eine aktive digi­tale Zivil­ge­sell­schaft in den sozia­len Netz­wer­ken, die Hand­lun­gen von den Platt­for­men einfordert.

Im Moment haben wir mit dem Netz­werk­durch­set­zungs­ge­setz die Recht­spre­chung quasi pri­va­ti­siert. Man kann Hass­rede zwar mel­den, sodass sie aus den sozia­len Netz­wer­ken raus­ge­nom­men wird. Aber es braucht mehr: Straf­ta­ten sol­len online genauso wie off­line ver­folgt wer­den. Wenn sich jemand im Netz ras­sis­tisch äußert, muss das straf­recht­li­che Kon­se­quen­zen haben. Ich würde mir wün­schen, dass Poli­zei und Staats­an­walt­schaf­ten da viel sen­si­bler und bereit zu han­deln sind. Wir wer­ben für eine Clea­ring­stelle für Betrof­fene digi­ta­ler Gewalt, die einen auch in aku­ten Bedro­hungs­si­tua­tio­nen beglei­tet – bis hin zur poli­zei­li­chen Anzeige. Das betrifft nicht nur von Rechts­extre­mis­mus Betrof­fene, ins­be­son­dere Frauen wer­den online oft sehr stark ange­gan­gen, belei­digt, bedroht. Sie zie­hen häu­fig schnell zurück. Das ist fatal, weil das Netz zuneh­mend männ­li­cher wird und Sexis­mus ganz anders gedul­det wird, als wenn sen­si­ble Akteure stär­ker dar­auf achten.

Sie gehen ins­be­son­dere auf Ihrer Stif­tungs­web­seite sehr offen damit um, dass die Ama­deu Anto­nio Stif­tung Gegen­stand von Hass­rede ist. Ist Trans­pa­renz hier beson­ders wichtig?
Wir ver­su­chen, dass nicht unter den Tisch fal­len zu las­sen und auch durch unser Han­deln andere nicht zu ent­mu­ti­gen. Das Gefähr­li­che ist, dass schnell etwas hän­gen­bleibt. So ver­sucht z. B. die AfD im Netz Hege­mo­nie durch Ein­schüch­te­rung zu schaf­fen. Schnell wer­den Fake News kon­stru­iert, Ver­leum­dun­gen in die Welt gebracht. Mitt­ler­weile sind immer mehr Leute dafür sen­si­bi­li­siert, dass vie­les, was über die Anto­nio Ama­deu Stif­tung ver­brei­tet wird, Fake News sind. Das macht deut­lich, dass es sinn­voll ist, die Stra­te­gien, die hin­ter ein­zel­nen Angrif­fen ste­cken, dar­zu­stel­len und klar­zu­ma­chen, was passiert.

Sie befür­wor­ten, die Ahn­dung von Straf­ta­ten im Netz nach dem Off­line-Vor­bild. Bedarf es dar­über hin­aus wei­te­rer Regulierungsmechanismen?
Nicht zwangs­läu­fig. Ich denke, es bedarf wie gesagt eher Straf­ver­fol­gung für Hass­rede im Netz. Wenn Leute auf­grund von Hass­rede ver­ur­teilt wer­den, hat es eine Sym­bol­wir­kung in die Het­zer­szene hin­ein. Wir sind keine Fans von mehr Regu­lie­rung. Denn ich sehe die Gefahr, dass Leute sich dann über­le­gen, was sie schrei­ben. Bei dem Netz­werk­durch­set­zungs­ge­setz gab es zu Recht die Dis­kus­sion, ob das eine Ein­schrän­kung der Mei­nungs­frei­heit ist oder nicht. Es muss online straf­recht­lich das geahn­det wer­den, was bis­her auch off­line geahn­det wird.

Die­ses Inter­view ist zuerst erschie­nen in Poli­tik & Kul­tur 07-08/2019.

Von |2019-07-10T13:30:23+02:00Juli 10th, 2019|Meinungsfreiheit|Kommentare deaktiviert für

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Hass­rede auch im Netz entgegentreten

Timo Reinfrank ist Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.