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Wil­helm Kanne

„Geht nicht, gibt’s nicht“, ist das Motto der Bäckerei Kanne. Die klassische Handwerksbäckerei mit modernen Unternehmenskonzepten wird inzwischen in fünfter Generation von Wilhelm Kanne geführt. Offenheit und Vielfalt werden in dem Familienunternehmen großgeschrieben. Das Rezept scheint aufzugehen: Im Jahr 2012 wurde es mit dem Interkulturellen Wirtschaftspreis des Multikulturellen Forums e.V. ausgezeichnet, welcher unternehmerisches Engagement für kulturelle Vielfalt am Arbeitsplatz würdigt.

Sie sind Inhaber der Bäckerei Kanne, ein mittlerweile in fünfter Generation geführtes Familienunternehmen. Hängt die lange Tradition auch mit Ihrem Motto „Geht nicht, gibt’s nicht“ zusammen?
In gewisser Weise natürlich. Dadurch, dass ich persönlich so in den Betrieb reingewachsen bin und wir uns als Unternehmen in allen Bereichen kontinuierlich weiterentwickeln, lernt man immer ein bisschen mehr dazu. Man lernt auch, dass man Sachen einfach anpacken muss, damit man sie bewegen kann. Das ist unsere Erfahrung und unsere durchweg positive Grundeinstellung zu Dingen. Und wenn man offen genug ist, sich auf Neues einzulassen, dann stellt man sich gar nicht großartig die Frage, geht das oder geht das nicht. Wir sind immer erst einmal für alles offen und überlegen dann gemeinsam, wie wir Lösungen dafür schaffen. Über die Jahre haben wir gelernt, wie man in einem Team gut zusammenarbeitet und man auch Unterstützung durch Weggefährten und Mitarbeitende erhält – das ist vielleicht auch das Geheimnis hinter unserer Geschichte.

„Man lernt auch, dass man Sachen einfach anpacken muss, damit man sie bewegen kann. „

Diese Unternehmensphilosophie hat Sie weit gebracht. Sie sind ein prämiertes multikulturelles Unternehmen. Wie kam es dazu? Und wie sind Ihre Erfahrungen mit der Anstellung von Menschen mit Migrationshintergrund?
Wenn wir das auf ein Wort runterbrechen, dann ist das Offenheit. Wir sind nicht voreingenommen, sondern einfach offen. Und daraus sind ganz viele positive Erfahrungen erwachsen. Wir haben nie beschlossen, ein Integrationsprogramm bei uns in der Firma zu installieren, sondern das ist aus unserem Betrieb heraus selbst entstanden. Wir sind einfach offen, wir sind sehr individuell, wir sind gewohnt, individuelle Lösungen zu finden. Das ist mit eine unserer großen Stärken. Wir sind in vielen Netzwerken aktiv und dann kommen verschiedene Ideen auf oder es kommt ein Projekt zustande, wie z. B. die Zusammenarbeit mit der Universität in Indonesien. Da kam jemand auf uns zu und hat gefragt, ob junge Menschen aus Jakarta, die gerne ein Praktikum im Lebensmittelbereich absolvieren würden, das bei uns machen könnten. Ich fand das spannend und wir haben das einfach gemacht. Und wenn wir etwas toll finden, dann machen wir das. Die Probleme, die eventuell dahinterstehen, die kriegen wir gemeinsam gelöst, wie z. B. Schwierigkeiten im Beschäftigungsverhältnis, Sprachbarrieren, Integration im sozialen Umfeld.  Wir denken prinzipiell aber nicht in Problemen. Als die große Zuwanderungswelle der Geflüchteten nach Deutschland kamen und Menschen bei uns Arbeit suchten, haben wir gedacht, dass wir das hinkriegen. Wir haben einfach angefangen und haben uns nach und nach Hilfe gesucht. Haben nach rechts und links geguckt, Leute gefragt und sind auf sehr viel positive Resonanz gestoßen. Wir bekommen jetzt sogar aktiv Anfragen aus unterschiedlichen Ländern, dass Leute gerne bei uns arbeiten möchten. Man baut immer auf Erfahrungen auf und so ergibt sich aus vielen kleinen Schritten ein großes Ganzes.

„Wir müssen bei uns auch Regeln und Werte vermitteln: Wie geht das untereinander?“

Das Fazit unserer Jahrestagung 2021 „Zusammenhalt in Vielfalt: Integration durch Arbeit“ war, dass noch „Luft nach oben“ besteht. Was wünschen Sie sich als Arbeitgeber im Hinblick auf Arbeitsmarktintegration von der kommenden Bundesregierung?
Viele scheuen vor allem die Hürden. Die gibt es natürlich, gerade auch bei der Beschäftigung von Geflüchteten. Viele Unternehmen können sich aus Kapazitätsgründen gar nicht damit auseinandersetzen. Und das ist sicherlich ein Punkt, wo wir in Deutschland besser werden müssen und sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer Hürden abbauen müssen. Es muss einfacher werden. Ein weiterer Punkt ist die Sprachförderung. Wir merken immer wieder, dass in der Arbeitswelt nicht nur unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen, sondern auch ganz unterschiedliche Verständnisse von der Arbeitswelt an sich, von Schulbildung und Schulsystem. Da ist es wichtig, viel Aufklärung zu betreiben, viel Unterstützung mitzugeben. Wir müssen bei uns auch Regeln und Werte vermitteln: Wie geht das untereinander? Wie funktioniert unser Leben in Deutschland? Das sind große Hürden und da können schnell auch weitere Hürden und Vorurteile entstehen, wenn man da nicht bestimmte Regeln lebt und vorgibt.

„Wir merken einfach immer wieder: Zusammenhalt kommt, wenn Integration gelebt wird.“

Die 15 Thesen der Initiative kulturelle Integration tragen den Titel „Zusammenhalt in Vielfalt“. Was bedeutet für Sie „Zusammenhalt in Vielfalt“ und welche der 15 Thesen ist Ihre „Lieblingsthese“?
Ich habe zwei Lieblingsthesen. Einmal ist es die erste These: „Das Grundgesetz als Grundlage für das Zusammenleben der Menschen in Deutschland muss gelebt werden“. Es ist wichtig, offen zu sein. Es ist aber auch wichtig, Regeln zu vermitteln und das ist einfach unabdingbar für ein gutes Zusammenleben. Meine zweite Lieblingsthese ist These Nummer 14: „Erwerbsarbeit ist wichtig für Teilhabe, Identifikation und sozialen Zusammenhalt“. Wir merken einfach immer wieder: Zusammenhalt kommt, wenn Integration gelebt wird. Es kann natürlich von uns als Geschäftsführung vorgelebt werden, aber es kann nicht aufgezwungen werden, sondern muss durch positive Erfahrungen von innenheraus wachsen. Und erst dann entsteht auch Zusammenhalt und Teambildung. Es sind einfach positive Erfahrungen, die man macht – man macht auch immer ein paar negative Erfahrungen, das gehört dazu im Leben –, aber das stärkt den Zusammenhalt. Erst dann entsteht für mich Integration, dann entsteht auch automatisch Integration im sozialen Bereich und das macht es zu einer Art Selbstläufer. Es muss organisch wachsen. Alles andere, was von oben oder von außen übergestülpt wird, aber im Inneren nicht richtig zündet, ist zeitlich begrenzt.

Vielen Dank!

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