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Derya Yil­di­rim

Derya Yildirim ist im Hamburger Stadtteil St. Pauli aufgewachsen. Bereits in jungen Jahren stand für sie fest, dass sie Polizistin werden möchte. Sie begann als eine der ersten türkischstämmigen Polizisten in Hamburg und informiert seitdem mit viel Engagement über ihren zum Teil auch steinigen Werdegang bei der Polizei.

Wie in vielen anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung ist die Förderung interkultureller Kompetenz auch bei der Polizei Hamburg wesentlicher Bestandteil der Aus- und Fortbildung. Hierzu wurde das Institut für transkulturelle Kompetenz (ITK) eingerichtet, bei dem auch Derya Yildirim tätig ist. Besonders bei Menschen mit Migrationshintergrund möchte sie Interesse für eine Karriere bei der Polizei wecken. Für ihr außerordentliches Engagement war sie im Jahr 2020 für den Nationalen Integrationspreis der Bundeskanzlerin nominiert.

Vielen Dank, Derya Yildirim, für Ihren vielseitigen Einsatz für mehr Diversität im öffentlichen Dienst.

Sie sind eine der ersten türkischstämmigen Polizisten der Polizei Hamburg. Woher kommt der Wunsch Polizistin zu werden?
Ich glaube, jetzt erfülle ich Klischees: Es ist ein Kindheitstraum. Ich bin in den Achtzigern geboren und in dem Viertel, in dem ich aufgewachsen bin, wurde die Hamburger Polizeiserie „Großstadtrevier“ gedreht. Und in meiner Straße war eine berühmte Kneipe und da wurde ganz oft gedreht. Ich saß immer auf der Fensterbank und habe zugeguckt, weil ich das alles irgendwie so toll fand. Das hat ganz viel bei mir in meiner Kindheit ausgelöst. Ich habe später auch verschiedene Praktika gemacht, auch in unterschiedlichen Bereichen: Friseur, Einzelhandel. Aber ich habe einfach gemerkt, das ist nicht meine Richtung. Das ist nicht das, wofür ich brenne.

„Das war eine Herausforderung, mich auch sprachlich im Wortschatz umzustellen.“

Welche Hürden mussten Sie persönlich als angehende Polizistin überwinden?
Das hat schon in meiner Jugend damit angefangen, dass ich leider die Einstellungstests nicht bestanden habe. Der Weg in den Apparat Polizei war sehr, sehr schwierig. Dementsprechend habe ich drei Anläufe gebraucht, um überhaupt erst den Test zu bestehen und zu sagen, ich darf endlich Polizistin werden. Im Polizeiapparat selbst musste ich wieder eine Hürde nehmen: Ich konnte immer sehr gut Deutsch sprechen, mit der Rechtschreibung hatte ich leider ein bisschen Probleme. Aber als ich dann meine Ausbildung angefangen habe, habe ich gedacht, ich komme irgendwie überhaupt gar nicht mehr klar mit der deutschen Sprache, weil ich plötzlich ein neues Deutsch lernen musste, das sogenannte Beamtendeutsch. Und das war eine Herausforderung, mich auch sprachlich im Wortschatz umzustellen.

Aktuell sind Sie beim Institut für transkulturelle Kompetenz der Akademie der Polizei Hamburg tätig. Was macht das Institut genau?
Ich bin jetzt seit einem Jahr im Institut für transkulturelle Kompetenzen und bin dort für die externe Netzwerkpflege und den externen Netzwerkaufbau hauptverantwortlich. Das heißt, ich bin den ganzen Tag im Dialog mit den Migrantenorganisationen, mit Vereinen. Hamburg ist eine Multikulti-Stadt, wir haben jede Menge Organisationen und Vereine in Hamburg. Und so viele Sachen, wo die Ansichten oftmals auch gegensätzlich sind, unter einen Hut zu bekommen, ist gerade eine ganz große Herausforderung. Aber es bringt wahnsinnig viel Spaß und ich glaube auch an das, was wir hier machen.

„Frauen werden auch immer bewusster und aktiver bei der Institution Polizei in Führungspositionen gebracht.“

Wie verändert sich die Polizei mit mehr Frauen und insbesondere auch mehr Migrantinnen?
Also, ich habe ja vor zwanzig Jahren meine Ausbildung angefangen und ich muss sagen, dass zu der Zeit schon relativ viele Frauen dabei waren. Wenn ich mir die freie Marktwirtschaft angucke, dann sehe ich, beim Diversity-Tag habe ich mich damit mehrfach auseinandergesetzt, dass Frauen bis zu 22,8 Prozent weniger Gehalt in den verschiedensten Rollen und Positionen haben. Und mich erfreut es, dass wir das bei der Polizei Hamburg nicht haben. Wir stärken Frauen. Wir haben in einer Werbekampagne der Einstellungsstelle der Polizei Hamburg „#StarkeFrauen“ ganz bewusst mit Frauen geworben. Und Frauen werden auch immer bewusster und aktiver bei der Institution Polizei in Führungspositionen gebracht. Das freut mich natürlich, diesen Wandel miterleben zu dürfen. Früher waren die Frauen, die ich bei der Polizei erlebt habe, oft im Streifendienst oder in bestimmten Bereichen aktiv. Dieser Wandel ist aber meiner Meinung nach in den letzten Jahren stark spürbar. Frauen mit Migrationshintergrund in Führung oder allgemein Migranten in Führung bei der Polizei wird leider noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Wir waren zwar schon in den Neunzigern bei der Einstellung von Migrantinnen und Migranten aktiv, aber die große Masse ist erst in den letzten Jahren eingestellt worden. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in fünf bis zehn Jahren nochmal ganz andere Zahlen haben werden.

Wie kann man Migrantinnen und Migranten noch gezielter für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst gewinnen?
Öffentlicher Dienst ist ja nicht nur Polizei. Die Feuerwehr spielt hier mit rein, die Justiz spielt hier mit rein. Das Interesse, der Wille oder der Gedanke ist oftmals da. Auch der Faktor Sicherheit spielt eine große Rolle. Aber der Informationsfluss oder der Stand der Dinge, der ist noch nicht so ganz angekommen. Und da frage ich mich manchmal, woran liegt das? Wir werben damit, auf unserer Website. Wir haben in Hamburg eine Dachkampagne „Wir sind Hamburg, bist du dabei?“. Und trotz alledem ist es immer dieser Wow-Effekt, wenn wir immer erneut erklären, dass die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erforderlich ist. Das Interesse ist auf jeden Fall da. Es ist aber auch oftmals leider noch so, dass einige Migranten in ihrem Herkunftsland schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben und das hemmt. Und die Debatten, die derzeit laufen, spielen natürlich dem öffentlichen Dienst auch nicht in die Karten.

Aber wir haben bei der Polizei Hamburg bereits gute Zahlen. Wir haben in Hamburg 81 Nationalitäten in den letzten Jahren eingestellt. Das ist beachtlich.

„Das sage ich nämlich immer auf meinen Veranstaltungen, die Sprache und Bildung sind der Schlüssel zum Erfolg.“

Die 15 Thesen der Initiative kulturelle Integration tragen den Titel „Zusammenhalt in Vielfalt“. Was bedeutet für Sie persönlich „Zusammenhalt in Vielfalt“ und welche der 15 Thesen ist Ihre „Lieblingsthese“?
Ich tue mich wirklich schwer, eine „Lieblingsthese“ zu benennen. Aber ich habe mir zwei Thesen rausgesucht: Ich würde mich gerne auf These 11 und These 12 konzentrieren wollen. Weil ich glaube, deutsche Sprache ist Schlüssel zur Teilhabe. Das sage ich nämlich immer auf meinen Veranstaltungen, die Sprache und Bildung sind der Schlüssel zum Erfolg. Deswegen konnte ich mich mit diesen beiden Thesen identifizieren. Und ich bin auch so ein bisschen esoterisch angehaucht, daher finde ich auch die Kunstthese (These 5) gut.

Und „Zusammenhalt in Vielfalt“, da würde ich mich freuen, wenn das irgendwann keine Themen mehr sind, sondern dass es einfach ein Miteinander ist und es dieses „Wir“ und „Ihr“ nicht mehr gibt, sondern ein Wir. Das wäre für mich der Zusammenhalt. Dass man nicht mehr auf Kultur, Religion und Herkunft bei einem Menschen achtet, sondern auf Fähigkeiten, Stärken und dann miteinander und voneinander profitiert. Das würde ich mir wünschen.

Vielen Dank!

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