Maike Karnebogen 5. November 2021 Logo_Initiative_print.png

Paj­tim Sta­tovci: Grenzgänge

Bujar wächst im politischen Chaos Tiranas auf. Er erlebt den langsamen, qualvollen Tod des Vaters mit, ebenso, wie die Mutter in der Trauer versinkt und die Schwester verschwindet. Halt findet er bei seinem Freund Agir. Beide fühlen sich in ihrem Heimatland Albanien nicht am richtigen Platz. Agir trägt gern Frauenkleider, Bujar ist auf der Suche nach seiner Identität. Gemeinsam verlassen sie Albanien, um eine bessere Zukunft zu suchen.

Der finnisch-kosovarische Schriftsteller Pajtim Statovci lässt in seinem Roman „Grenzgänge“ eben diese verschwinden. Bujar treibt durch verschiedene Städte und Kontinente, erlebt Zugehörigkeit und Ausgrenzung, Liebe und Gewalt. Seine Reise führt ihn nach Rom, Madrid, Berlin, in die USA und nach Helsinki. Er ist auf der Suche nach einer Heimat, die er nicht findet: „Wenn deine Muttersprache ein bisschen zu fremd klingt, oder wenn du aussieht, als kämst du von zu weit her, dann ist das nicht mehr besonders, sondern komisch, wie ein wilder Büffel, der mitten auf einem Marktplatz steht. Und ein Eindringling wie ich, ein Ausländer, der eine fremde Sprache spricht, sollte sich immer und überall der Tatsache bewusst sein, dass er nicht nach den gleichen Dingen streben darf wie ein Italiener.“

Doch irgendwann geht es ihm nicht mehr ums Ankommen, sondern darum, die Freiheit zu finden, alles sein zu können. Immer wieder taucht die Frage auf „Bist du ein Mann oder eine Frau?“. Manchmal antwortet er, ein Mann, manchmal, eine Frau, manchmal gar nicht.

In Pajtim Statovcis Roman verschwimmen Realität und Fantasie, brutal und schön zugleich. So wie der Roman in der Zeit springt, so erfindet sich auch Bujar immer wieder neu, nimmt andere Identitäten an. Mal ist er Italiener, mal in Istanbul geboren, mal ein transsexueller Castingteilnehmender, mal ein Psychologiestudent, er liebt Frauen, er liebt Männer. Erlebnisse und Bekanntschaften verschwimmen in seinen Identitäten. Eine intensive Geschichte übers Erwachsenwerden, Überleben, sexuelle Identität, Familie und vieles mehr, die keine Grenzen kennt.

Maike Karnebogen

Pajtim Statovci. Grenzgänge. München 2021

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