Anja Karliczek 7. September 2020 Logo_Initiative_print.png

Meis­ter­li­che Aufstiegschancen

Die Aus­wir­kun­gen der Novel­lie­rung des Berufs­bil­dungs­ge­set­zes auf den Arbeits­markt Kultur

Wer Karriere machen möchte, denkt meist an Universitäten: Der Weg führe über Hörsäle und Seminarräume, Abschlussarbeiten – und irgendwann möglichst zum Doktortitel, so die gängige Meinung. Nur so sei beruflicher Aufstieg möglich.

Da wundert es nicht, dass die Zahl der Studienanfänger in Deutschland immer weiter gestiegen ist. Für viele junge Menschen scheint die Option einer Ausbildung in Betrieb und Berufsschule nicht in Frage zu kommen. Dass eine solche Ausbildung ebenso spannende und vielfältige Aufstiegsmöglichkeiten bietet wie ein Studium, ist immer noch viel zu wenig bekannt.

Wir haben vieles dafür angestoßen, um den Fachkräftenachwuchs für das Innovationsland Deutschland zu sichern. Unsere duale Berufsbildung ist eines der erfolgreichsten Qualifizierungssysteme der ganzen Welt. Die Entscheidung zwischen beruflicher Bildung oder einem Studium ist keine zwischen Mehr oder Weniger. Beide sind gleichwertig. Beide ergänzen sich. Beide Wege führen zum beruflichen Erfolg.

Seit diesem Jahr ist die berufliche Bildung noch attraktiver, weil wir das Berufsbildungsgesetz und die Handwerksordnung novelliert haben. Die Bedingungen für Auszubildende und Betriebe sind nun besser denn je – ganz besonders, was die Aufstiegschancen betrifft.

„Aufstiegsfortbildungen“ gab es in der beruflichen Bildung auch schon vor der Novellierung. Wer eine abgeschlossene Ausbildung hatte, konnte sich damit noch weiter qualifizieren – z. B. zum Meister. In der Öffentlichkeit ist vor allem der „Handwerksmeister“ bekannt – und beliebt. Wer sein Bad von einem Meisterbetrieb renovieren lässt oder sein Brot beim Bäckermeister kauft, setzt auf besondere Qualität.

Allerdings existieren diese Aufstiegsfortbildungen nur im deutschsprachigen Raum. Schon die adäquate Übersetzung des Begriffs „Meister“ in andere Sprachen stellt Dolmetscher regelmäßig vor Herausforderungen. Denn in anderen Ländern werden vergleichbare Qualifikationen ganz überwiegend an Hochschulen erworben, mit dem Abschluss als Bachelor oder Master.

Gerade internationale Unternehmen forderten und fordern deshalb für ihre mittleren Führungspositionen mindestens einen Bachelor-Abschluss. Bei Bewerbungen außerhalb des deutschsprachigen Raumes mussten die Absolventinnen und Absolventen bislang nachweisen, dass ihr beruflicher Abschluss gleichwertig zu einem Bachelor oder Master ist.

Dabei liegen in Deutschland berufliche Fortbildungen oft auf dem gleichen Niveau wie ein Studium. Das zeigt sich auch daran, dass anspruchsvolle Fach- und Führungsaufgaben warten – und zwar meist sogar schneller als über den Weg des Studiums. Ein gutes Einkommen ist in der Regel garantiert. Und so mancher, der eine berufliche Ausbildung absolviert hat, gründet später seinen eigenen Betrieb.

Der Arbeitsmarkt internationalisiert sich und mit zunehmender EU-Freizügigkeit ist die Debatte über die Harmonisierung der Ausbildungssysteme immer wichtiger geworden. Die Bologna-Reform mit der Angleichung der Studienabschlüsse an den Hochschulen ist das Ergebnis dieser Debatte auf akademischer Ebene. Nun folgt die berufliche Bildung: Unsere Gesetzesnovelle ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer international gleichwertigen Anerkennung, insbesondere bei der klassischen dualen Ausbildung.

Wesentlich sind dabei die neuen Abschlussbezeichnungen: Geprüfte/r Berufsspezialist/in, Bachelor Professional und Master Professional. Sie zeigen auf den ersten Blick, dass sie gleichwertig zu den Hochschulabschlüssen sind – und zwar überall auf der Welt. Gleichzeitig bleiben der Meister und vergleichbare Marken erhalten, weil sie im deutschsprachigen Raum Tradition und hohes Ansehen genießen. Wir stärken sie sogar noch durch die neuen Abschlussbezeichnungen. Auch künftig muss niemand auf den Meister verzichten.

Mit der Umbenennung der Abschlüsse haben wir ein deutliches Zeichen für die Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung gesetzt: Wettbewerbsnachteile gegenüber dem akademischen Qualifizierungssystem haben wir abgebaut, Karrierechancen von Absolventinnen und Absolventen der höherqualifizierenden Berufsbildung gesteigert. Sie können sich, wenn sie wollen, überall auf der Welt bewerben, ohne Nachteile zu befürchten. Und hierzulande wird es vor allem für mittelständische Unternehmen leichter, beruflich qualifizierte Fach- und Führungskräfte zu finden.

Auch in der Medien- und in der Kulturbranche bestehen zahlreiche Möglichkeiten für eine duale Ausbildung und einen beruflichen Aufstieg ohne Studium. Lassen Sie mich nur einige Beispiele nennen:

Die Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton bietet viele Wahlqualifikationen, die auf die verschiedenen Spezialisierungen der Betriebe zugeschnitten sind – aber auch zu den unterschiedlichen Interessen von Jugendlichen passen. In eine ähnliche Richtung geht die Ausbildung zum Mediengestalter Digital und Print und zum Buchbinder. Die Jobmöglichkeiten sind vielfältig – sie reichen vom Zeitschriftenmarkt über Werbebranche und Onlinehandel bis hin zum öffentlichen Dienst. In allen drei Berufen ist ein Aufstieg zum Medienfachwirt und zum Industriemeister Print möglich.

Spannend für Medienschaffende kann auch der IT-Bereich sein, der ebenfalls eine Reihe von dualen Ausbildungsberufen bietet. Vier davon haben wir gerade gründlich modernisiert – denn besonders in dieser Branche ändern sich die Anforderungen rapide:

Den Beruf des Fachinformatikers konnte man bisher in den Fachrichtungen Anwendungsentwicklung und Systemintegration erlernen. Ergänzt haben wir die Daten- und Prozessanalyse sowie die Digitale Vernetzung. Das bedeutet, dass die Ausbildung nun noch besser auf die aktuellen Anforderungen in diesem Berufsfeld vorbereitet. Für die Ausbildung zum IT-Systemelektroniker wurden vor allem die elektrotechnischen Inhalte überarbeitet. Jetzt geht es weniger um die Installation von einzelnen Komponenten für IT-Systeme als um ganze Netzwerkinfrastrukturen, z. B. bei der Umrüstung eines Gebäudes zum „Smart Home“. Der Kaufmann und die Kauffrau für Digitalisierungsmanagement beschäftigen sich mit der Digitalisierung von Geschäftsprozessen. Die Ausbildungskollegen im IT-System-Management lernen, wie man IT-Systeme verwaltet. Wer einen dieser Berufe gelernt hat, wird in fast jedem Unternehmen gebraucht, ebenso an Schulen oder im öffentlichen Dienst und natürlich auch im Kultur- und Medienbetrieb. Alle vier Ausbildungen bieten die Möglichkeit zum weiteren Aufstieg, etwa zum Spezialisten oder zum strategischen oder operativen Professional.

Und apropos Internationalisierung: Nicht nur Studierende lernen mit dem Erasmus-Programm andere Länder kennen und vertiefen ihre Sprachkenntnisse, auch in der beruflichen Ausbildung sind über das Erasmus+-Programm Praktika im Ausland möglich. Auch hier ist also dafür gesorgt, dass keiner der beiden Karrierewege –Studium und Berufsausbildung – schlechter gestellt wird.

Mit unserer Novellierung der beruflichen Bildung bereiten wir Deutschland auf die Zukunft vor. Denn nur mit gut ausgebildeten jungen Menschen sichern wir den Wohlstand unseres Landes. Unsere Innovationskraft hängt von der Qualität „Made in Germany“ ab – entwickelt von bestens ausgebildeten Fachkräften. Die berufliche Bildung ist das Fundament unserer Wirtschaft, unseres Arbeitsmarktes und Startpunkt zahlreicher erfolgreicher Karrieren. Sie bietet Jugendlichen die Chance auf ein eigenständiges und erfülltes Leben.

Deshalb ist die berufliche Bildung auch einer unserer Schwerpunkte in der deutschen Ratspräsidentschaft der EU. Berufliche Bildung soll in ganz Europa Unterstützung und Anschub erhalten. Denn wer eine Ausbildung macht, hat langfristig gute Job- und Aufstiegschancen und ist seltener von Arbeitslosigkeit bedroht. Das gilt in der Industrie genauso wie für den Arbeitsmarkt in Kultur und Medien.

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2020.

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