Philipp Wachholz, Olaf Zimmermann & Theresa Brüheim 5. Februar 2020 Logo_Initiative_print.png

Gegen Schub­la­den­den­ken

McDonald’s und die Initia­tive kul­tu­relle Inte­gra­tion för­dern gemein­sam gesell­schaft­li­chen Zusammenhalt

Mit der Kampagne #MehralseinHashtag stellten sich McDonald’s und die Initiative kulturelle Integration in den letzten Wochen des Jahres 2019 gemeinsam gegen eine vorurteilsbehaftete Debattenkultur in den sozialen Medien und darüber hinaus. Teil der Kampagne waren neben Prominenten wie der Travestiekünstlerin Olivia Jones und dem Fußballspieler Hans Sarpei auch der McDonald’s Deutschland-Chef Holger Beeck und weitere Mitarbeitende des Unternehmens. Das zugehörige Kampagnenvideo erreichte 1,2 Millionen Menschen. Im Gespräch mit Theresa Brüheim werfen der Unternehmenssprecher Philipp Wachholz und der Sprecher der Initiative kulturelle Integration, Olaf Zimmermann, einen Blick auf die erste und mögliche weitere Zusammenarbeit.

Theresa Brüheim: Herr Wachholz, was bedeutet für Sie Integration?
Philipp Wachholz: Integration beginnt für mich mit gegenseitigem Respekt, von beiden Seiten. Das ist die Basis. Gerade gestern habe ich meinen sogenannten Ray-Kroc-Tag gemacht. Das ist der Tag, an dem jeder Mitarbeiter aus der McDonald’s-Hauptverwaltung einen Tag in einem Restaurant arbeitet. Neben mir gab es in der Schicht nur noch eine Person ohne Migrationshintergrund. Alle anderen kamen aus verschiedensten Ländern – von Georgien über Rumänien und unzähligen anderen Ländern. Eins habe ich dabei gestern wieder gemerkt: Wenn gegenseitiger Respekt und Verständnis für den anderen vorhanden sind, dann funktionieren viele, viele Dinge, die sonst schnell im Argen liegen.

Das heißt, eine vielfältige diverse Mitarbeiterschaft steht bei McDonald’s für gelungene Integration im Unternehmen?
Wachholz: Alleine in Deutschland arbeiten Menschen aus über 120 Nationen bei McDonald’s. Der Küchen- und Restaurantbetrieb ist dabei teilweise mit viel Stress verbunden. So wie das normale Leben manchmal auch. Da muss die Interaktion direkt, aber immer respektvoll geschehen. Für uns ist diese Art gelingender Integration der Schlüssel für den langfristigen Erfolg einer verantwortungsvollen Marke.

Herr Zimmermann, wie definieren Sie als Sprecher der Initiative kulturelle Integration, Integration?
Olaf Zimmermann: Integration ist das, was man zum Zusammenleben braucht. Das hat nicht in erster Linie mit Geflüchteten, sondern mit unserem alltäglichen Leben zu tun. Wir müssen uns alle integrieren – in eine gesellschaftliche Struktur, in die Nachbarschaft, in unsere Freundeskreise. Nur wenn wir uns integrieren, können wir überhaupt leben. Keiner kann ganz egoistisch nur für sich selbst leben. Integrieren ist auch gar nichts Negatives, sondern Integrieren ist etwas Positives. Schlussendlich soll jeder sein Leben nach den eigenen Vorlieben und Interessen leben können, aber es muss in einem bestimmten Rahmen stattfinden. Wenn man so will: der Integrationsrahmen. Bei der Initiative kulturelle Integration geht es darum, die Bedeutung dieses Integrationsrahmens herauszustellen und sich für dessen Erhalt starkzumachen.

Ende letzten Jahres hat McDonald’s in Zusammenarbeit mit der Initiative kulturelle Integration die Medienkampagne #MehralseinHashtag gestartet, die sich gegen Schubladendenken vor allem in den sozialen Medien starkmacht. Herr Wachholz, welche Idee steht dahinter?
Wachholz: Die Idee knüpft wieder an das Thema Respekt an. Zusammenleben und Integration hängen stark vom Umgang miteinander und der Debattenkultur ab. Die Entwicklungen der letzten Jahre, gerade in den sozialen Medien, zeigen aber leider, dass Art und Weise, wie wir uns mit strittigen Themen auseinandersetzen, stark an Niveau eingebüßt hat. In den sozialen Medien kann man leicht anonym kommunizieren. Dies führt leider oft dazu, dass bei Meinungsverschiedenheiten Menschen schneller spöttisch oder sogar massiv beleidigend agieren. Eine sachliche Auseinandersetzung, die extrem wichtig wäre, findet oft nicht statt. Daran leidet die Debattenkultur insgesamt und letztlich auch die Demokratie in Deutschland. Auf diesen Punkt wollten wir mit der Kampagne aufmerksam machen, denn eine gute Debattenkultur gehört zur Demokratie und ist die Basis für die Bewältigung von Integration in unserer Gesellschaft.

Wieso sieht sich ein Unternehmen wie McDonald’s in der Pflicht, eine gute Debattenkultur zu stärken?
Wachholz: Zum einen versuchen wir, die Art und Weise des Miteinanders im Restaurant, im Unternehmen, in der Marke von Respekt tragen zu lassen. Zum anderen begegnen wir als Marke in den sozialen Medien sehr, sehr großen Vorurteilen. Wir erleben tagtäglich auf unseren sozialen Kanälen, mit welcher Häme teilweise vorgegangen wird, auch gegenüber unseren Mitarbeitern. Wir möchten dagegen antreten, möchten auf Missstände diesbezüglich aufmerksam machen. Im besten Fall regen wir zum Nach- und Umdenken an.

Mit eben dieser Hassrede wurde leider auch auf Posts im Rahmen der genannten Kampagne #MehralseinHashtag reagiert. Wie gehen Sie konkret damit um?
Wachholz: Das war leider zu erwarten. Wenn man mit dieser Haltung an die Öffentlichkeit geht, kommt der Gegenwind auf Social Media heutzutage schnell. Das muss man ein Stück weit ertragen, darf sich nicht entmutigen lassen. Uns hat es aber auch gefreut, dass der Gesamttenor rund um die Kampagne in den sozialen Netzwerken durchaus positiv war. Auch wenn es wieder viele Hasskommentare gab. Unsere Hoffnung ist trotzdem, dass vermehrt Beiträge und Aktionen wie #MehralseinHashtag zumindest mittelfristig, vielleicht sogar langfristig, zu einem Umdenken führen werden.

Herr Zimmermann, wie haben Sie vonseiten der Initiative kulturelle Integration die Resonanz auf die gemeinsame Kampagne wahrgenommen?
Zimmermann: Erst mal habe ich mich sehr gefreut, dass wir zusammen diese Kampagne gemacht haben. Unternehmen haben selbstverständlich Verantwortung. Dass McDonald’s diese Verantwortung annimmt, ist richtig und notwendig. Viele haben mich gefragt: „Was, ihr arbeitet mit McDonald’s zusammen?“ Da habe ich geantwortet: „Ja, gerade mit McDonald’s.“ Die Diversität, besonders in der Mitarbeiterschaft, bildet eine Breite der Gesellschaft ab, die wir sonst nur schwer erreichen können. Allein dieser Umstand ist für uns ein Gewinn. Die Kampagne bestand aus zwei Teilen: einem Imagefilm, der die Idee in anderthalb Minuten wunderbar rüberbringt, und mehreren Kurzporträts von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus McDonald’s-Restaurants. Letzteres hat mich besonders begeistert. Integration funktioniert in Deutschland zu allererst über Erwerbsarbeit. Die Porträts der Mitarbeitenden von McDonald’s machen das wirklich greifbar.

Wieso ist Erwerbarbeit der Schlüssel zur Integration in Deutschland?
Zimmermann: Wir sind geschichtlich gesehen eine nach protestantischem Arbeitsethos entstandene Gesellschaft. Das ist auch in die katholischen Gefilde unseres Landes tief eingedrungen. Selbst in Bayern regiert das protestantische Arbeitsethos. Wir definieren uns ganz stark auch außerhalb unserer Arbeit über das, was wir arbeiten. Für den Menschen und seinen Status in der Gesellschaft spielt es eine ganz entscheidende Rolle, was wir arbeiten, wo wir arbeiten, wie wir arbeiten und welche Bedeutung diese Arbeit hat. Daher ist es wichtig, dass Menschen arbeiten können und dass sie sich in der Arbeit entwickeln können. Hier ist auch wieder das Vorbild McDonald’s so wichtig: Einer der schwierigsten Schritte ist, den ersten Fuß in die Arbeit zu bekommen. Das gilt für Menschen, die schon sehr lange in Deutschland leben, aber auch das eine oder andere Problem gehabt haben. Das gilt für Menschen, die von außen zu uns kommen, gleichermaßen. McDonald’s gehört zu den Unternehmen, die Eintrittsarbeitsmöglichkeiten bieten. Das ist zentral für unsere Gesellschaft. Das ist auch ein wichtiges Ziel der Kampagne: Schaut euch an, welche Integrationsleistung ein Unternehmen leistet, weil es die Türen öffnet und Menschen Arbeit bietet. Man muss sich an bestimmte Bedingungen wie Respekt halten, dann hat man auch eine Chance aufzusteigen. Durch Arbeit steigt man auch gesellschaftlich auf. Und das ist Integration.

Herr Wachholz, mit der Kampagne will McDonald’s auch die Mitarbeitenden, die in den sozialen Medien immer wieder Beleidigungen und verbalen Angriffen ausgesetzt sind, stärken. Wie machen Sie über die Kampagne hinaus Ihre Mitarbeitenden stark?
Wachholz: Es gibt Mitarbeiterschulungen, bei denen Strategien zum deeskalierenden Umgang mit direkten Anfeindungen im Restaurant vermittelt werden. Wir machen immer wieder die Beobachtung, dass der Zusammenhalt unter den Mitarbeitenden hoch ist. Das gilt auch für die Kampagne in den sozialen Medien. Gerade bei den negativen Kommentaren über unsere Mitarbeiter oder unseren Chef, Holger Beeck, sind viele Kolleginnen und Kollegen mit ihren Antworten in die Bresche gesprungen. Man steht füreinander ein. Das macht Mut.

Die Haltungskampagne vermittelt eine positive Botschaft. Ist es heute schwieriger, Positivnachrichten zu vermitteln?
Wachholz: In der Tat ist es schwieriger, positive Botschaften so zu verbreiten, dass sie bei Menschen hängen bleiben. Das hängt mit dem Naturell des Menschen zusammen. Und vielleicht sind wir in Deutschland auch grundsätzlich nicht so schnell begeisterungsfähig. Unsere Erfahrung zeigt, dass man Botschaften immer mit einem kleinen Aufreger oder auch Schmunzler verbinden muss. Das sind Hebel, um dafür zu sorgen, dass auch positive Botschaften wahrgenommen werden. Denn leider Gottes bleiben gerade die negativen Sachen eher hängen. Schaut man sich die heutige Medienlandschaft kombiniert mit sozialen Medien an, dann könnte man das Gefühl bekommen, dass wir jeden Tag nicht nur am Abgrund stehen, sondern schon am Fallen sind. Die Herausforderung ist groß, aber gerade deshalb darf man sich nicht beeinträchtigen lassen und muss immer wieder Versuche unternehmen, positive Botschaften zu platzieren. Wie in diesem Fall arbeitet man dann mit geeigneten und starken Partnern zusammen. Ich finde es fantastisch, dass wir hier mit McDonald’s und der Initiative kulturelle Integration zwei nicht unbedingt zu erwartende Partner für eine gute Sache haben. Diese ungewöhnlichen Wege muss man manchmal gehen.
Zimmermann: Wir müssen die positiven Beispiele immer wieder und wieder wiederholen und sagen: „Schaut euch das an, unsere Gesellschaft ist gut, wir schaffen das“ – um mich an die Lippen von Angela Merkel zu hängen. Wir – Wirtschaft und Zivilgesellschaft – haben eine gemeinsame Verantwortung, dieses Gemeinwesen mit einer positiven Grundstimmung zusammenzuhalten. Es reicht nicht, wenn wir uns in unserem Elfenbeinturm wohlfühlen, wir müssen in die gesellschaftliche Breite gehen. Multiplikatoren wie McDonald’s können das sehr gut ermöglichen. So öffnen sich Türen, die sonst für uns verschlossen sind. Es ist wichtig, gemeinsam über einen positiven Gesellschaftsbegriff nachzudenken.

Ist eine Fortsetzung der Zusammenarbeit geplant?
Wachholz: Die Zusammenarbeit und das Ergebnis waren sehr gut. Gerade überlegen wir, wie wir an die Kampagne #MehralseinHashtag in diesem Jahr anknüpfen können. Da werden wir auch mit der Initiative kulturelle Integration im Gespräch sein und über weitere gemeinsame Aktionen nachdenken.
Zimmermann: Wir haben uns sehr positiv kulturell angenähert. Das ist ein ganz wichtiges Ergebnis. Wir sind zu fast allen Schandtaten bereit. McDonald’s ist ein guter Partner für die Initiative, aber auch die Initiative ist ein guter Partner für McDonald’s.

Vielen Dank.

Dieses Interview ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 02/2020.

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