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Tanas­gol Sabbagh

Ihre melodische, ruhige und zugleich sehr ausdrucksstarke Vortragsweise geht gemeinsam mit tiefsinnigen Reimen dem Zuhörer direkt unter die Haut. Tanasgol Sabbagh ist Spoken-Word-Performerin und tritt seit 2011 deutschlandweit mit ihren Texten auf. Die gebürtige Iranerin studierte Orientwissenschaften mit dem Schwerpunkt Politik des Nahen und Mittleren Ostens und Nordafrika. Darüber hinaus gibt sie Workshops im Bereich Poetry-Slam, Performance und kreatives Schreiben.

Ihre Slam-Texte befassen sich mit gesellschaftlichen Konflikten wie Rassismus und Sexismus, zu denen sie oft einen persönlichen Bezug herstellt. Vielen Dank, Tanasgol Sabbagh, für die kunstvollen und tiefgründigen Slam-Texte, die man sich unbedingt anhören sollte.

Seit acht Jahren treten Sie als Spoken-Word-Performerin auf. Wie haben Sie Ihr Interesse und vor allem Ihr großartiges Talent für Poetry-Slam entdeckt?
Ich habe bereits als Kind sehr gerne geschrieben und gereimt. Ich glaube, mein erstes richtiges Gedicht entstand als ich zehn Jahre alt war und meine Cousine auf die Welt kam. Mit 17 habe ich dann spätabends auf 3sat eine Ausstrahlung von einem Dead or Alive Slam gesehen. Das ist eine Poetry-Slam-Veranstaltung bei der Schauspielerinnen und Schauspieler Texte von verstorbenen Dichterinnen und Dichtern vortragen und Slammerinnen und Slammer mit ihren eigenen Texten dagegen antreten. Damals habe ich Fiva MC, die mittlerweile Musik macht, auf der Bühne gesehen und war völlig geplättet davon, dass es so etwas gibt wie Live-Poesie auf der Bühne. Ich glaube die Worte in meinem Kopf waren: „Waaaass?! Gedichte sind jetzt cool?!“

Danach hat es nicht lange gedauert, bis ich selbst das erste Mal auf einer Slambühne stand, damals im Jugendzentrum der kleinen Nachbarstadt Bad Nauheim.

„Ich lebe nicht in einem Vakuum.“

Wie finden Sie Inspiration und Ideen für Ihre Texte?
Ich schreibe über Dinge, die mich ohnehin im Alltag Beschäftigen – also meistens über mich selbst. Aber das ist eben der Punkt: Ich lebe nicht in einem Vakuum, völlig unberührt von meiner Umwelt. Dinge, die um mich herum passieren, haben einen mehr oder weniger direkten oder indirekten Bezug zu mir. Mein Ziel ist es, diese Bezüge zu zeigen, die subtilen Einflüsse offen zu legen.

Sie sind Mitglied der Lesebühnenshow „parallelgesellschaft“ in Berlin-Neukölln, welche alle zwei Monate stattfindet. Könnten Sie einen Einblick in die Show geben und etwas über die Idee von „parallelgesellschaft“ erzählen?
Meine Lesebühnenkolleginnen (Temye Tesfu, Jacinta Nandi, Jokaa) und ich versuchen mit unserer Show eine Art politische Bühne zu schaffen, auf der man Themen, die uns alle auf gewisse Weise angehen – Rassismus, Gentrifizierung, Sexualität, Sexismus etc. – künstlerisch nachspüren kann.

Jede Show steht im Zeichen eines bestimmten Themas, an das wir uns mit Musik, Kurzgeschichten und Spoken-Word-Texten anzunähern versuchen. Dazu laden wir uns einerseits einen künstlerischen Gast ein und andererseits einen Interviewgast mit einer gewissen Expertise in dem Bereich. So hatten wir schon Kulturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Journalistinnen und Journalisten und einen Gewerkschaftsvorstand im Gespräch.

Da wir alle in unserer Arbeit im kulturellen Bereich die Erfahrung gemacht haben, häufig die einzigen nicht weißen Personen im Raum zu sein, versuchen wir mit „parallelgesellschaft“ einen Ort zu schaffen, in dem unsere Präsenz auf einer Bühne keine Ausnahme ist. Wir beobachten dabei, dass auch unser Publikum dadurch diverser ist.

„Wir sind nicht alle gleich, aber gleichwertig!“

Darüber hinaus sind Sie Mitglied des Vereins „SLAM ALPHAS“. Wofür setzt sich der Verein ein?
Die „SLAM ALPHAS“ sind ein Verein, der von Slam-Poetinnen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland gegründet wurde, um Mädchen und Frauen in der Slam-Szene zu unterstützen, zu stärken und sichtbar zu machen.

Der Diskurs, der in der Slam-Szene seit der Gründung der „SLAM ALPHAS“ ausgelöst wurde, hält bis heute an und Veranstalterinnen und Veranstalter werden mehr und mehr dafür sensibilisiert, beispielsweise gendergerechte Sprache auf der Bühne zu nutzen, ausgeglichenere Line-Ups zu haben, d. h., dass nicht nur Männer und höchstens eine „Quoten-Frau“ eingeladen werden, und darauf zu achten, wie sicher Backstageräume und Übernachtungsmöglichkeiten für Frauen gestaltet sind.

Für Menschen, die eine Veranstaltung organisieren möchten, kann ich empfehlen, auf slamalphas.org mal nach der Karte der Slam-Poetinnen in den jeweiligen Regionen zu schauen. Mitglieder sind dort mit Kontaktmöglichkeiten eingetragen.
Ich persönlich halte den Verein für ein höchst unterstützenswertes Projekt.

Was bedeutet für Sie persönlich „Zusammenhalt in Vielfalt“?
Ich denke, es muss ein besseres Verständnis davon geben, dass wir nicht alle gleich, aber eben alle gleichwertig sind. Unterschiede schätzen, und manchmal eben aushalten zu lernen, gehört hierbei dazu. Nur so kann ein Zusammenhalt innerhalb einer vielfältigen Gesellschaft entstehen. Denn die Vielfalt ist schon lange vorhanden, es mangelt an ihrer Akzeptanz.

Vielen Dank!

Hören Sie sich unbedingt die Slam-Texte von Tanasgol Sabbagh an!

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