Mosjkan Ehrari & Theresa Brüheim 29. Oktober 2019 Logo_Initiative_print.png

Aus den Com­mu­ni­ties für die Communities

Drei Fra­gen an Hand­book Germany

Handbook Germany, ein Projekt der Neuen deutschen Medienmacher*innen, ist ein mehrsprachiges Informationsportal das eng mit der eigenen Zielgruppe zusammenarbeitet, um dieser das Ankommen in Deutschland zu erleichtern. Theresa Brüheim fragt nach bei der Redaktionsleiterin Mosjkan Ehrari, wie das funktioniert.

Theresa Brüheim: Was ist Handbook Germany? Was kann man sich unter einem Handbook zu Deutschland vorstellen?
Mosjkan Ehrari: Wir sind digital und integrativ. Geflüchtete und alle, die neu in Deutschland sind, finden auf dem zentralen deutschlandweiten Webportal handbookgermany.de detailreiche Informationen zu alltagsrelevanten Fragen in mittlerweile sieben Sprachen. Bestehende Informations- und Unterstützungsangebote von Behörden, Organisationen und Initiativen werden gebündelt und von unserem mehrsprachigen Redaktionsteam aus Journalisten mit zumeist eigener Fluchtgeschichte in Arabisch, Dari/Farsi, Englisch Deutsch, Türkisch, Französisch und Paschto zielgruppengerecht und bedürfnisorientiert aufgearbeitet und so für die Orientierungssuchenden auffindbar gemacht. Dabei bietet Handbook Germany Informationen zu aufenthaltsrechtlichen und anderen Rechtsfragen, aber auch zu den Themenbereichen Arbeit, Bildung, Leben, Gesundheit und Familie sowie Wohnen an. Da unsere Zielgruppen vornehmlich mobil ins Internet gehen, ist handbookgermany.de für die Nutzung mit Smartphones ausgerichtet. Auch unsere aufsuchende Informationsarbeit in den sozialen Medien hat zum Ziel, unsere Zielgruppen dort zu erreichen, wo sie sich aufhalten, um mit ihnen über ihre Bedürfnisse zu kommunizieren.

Handbook Germany ist ein Informationsportal aus den Communities für die Communities geflüchteter Menschen. Welcher Gedanke steht dahinter? Wieso ist das „Miteinander“ hier besonders wichtig?
Viele Menschen aus Drittstaaten, die jetzt in Deutschland leben, kommen aus Ländern, die eine wie in Deutschland bestehende Beratungs- und Unterstützungslandschaft nicht kennen. Etliche der hiesigen Angebote werden von ihnen kaum genutzt. Dabei spielen auch Fragen wie „Wem kann ich vertrauen?« und »Wer spricht meine Sprache?“ eine bedeutende Rolle. Es wird lieber innerhalb der eigenen Community nach Antworten gesucht. Darum ist es uns auch so wichtig, dass die Journalisten, aber auch die Pro-tagonisten in unseren Videos aus den Communities kommen. Sie sprechen die gleiche Sprache und kennen die vielen Hürden und Integrationsetappen. Sie haben die Phase des An­kommens, des Spracherwerbs und der Suche nach Alltagsnormalität oft selbst erlebt. Es findet eine Kommunikation auf Augenhöhe statt, die für die Vertrauenswürdigkeit bedeutend ist. Wir passen uns dem Nutzungsverhalten der Communities an, denn diese suchen online nach Antworten, z. B. in Facebook-, WhatsApp- und Telegram-Gruppen. Darum sind die Social-Media-Kanäle von Handbook Germany so bedeutend. Denn hier sind wir nicht anonym. Wir sind so was, wie ihre digitale Verwandtschaft. Handbook Germany steht im direkten Austausch mit den Communities.

Inwieweit ist Handbook Germany ein Ausdruck von Demokratie und Integration? Was genau leistet es dafür – auch in Zukunft?
Viele digitale Angebote sind neben der fehlenden Mehrsprachigkeit zumeist monothematisch ausgerichtet. Die Fragestellungen von Ratsuchenden sind jedoch oft sehr komplex. Ein Großteil der neu angekommenen Menschen hat Fragen zu einer ganzen Bandbreite von Themen, die sich zum Teil überschneiden. Dass z. B. die Arbeitserlaubnis mit dem Aufenthaltstitel zusammenhängt, eine Ausbildung die eigenen Zukunftschancen auf einen besseren Aufenthaltstitel erhöhen kann oder die Anmietung von Wohnraum von den eigenen Einkünften abhängt, muss erst einmal vermittelt werden. Durch unsere Informationen geben wir den Menschen die Möglichkeit, systemische Zusammenhänge zu verstehen, behördliches Zusammenspiel zu erkennen sowie eigenes Wissen zu erlangen und für sich eine informierte Entscheidung zu treffen. Wenn der Mensch Wahl- und Handlungsmöglichkeiten erfährt und ermächtigt wird, diese zu nutzen, ist er Bestandteil von demokratischen und integrativen Prozessen. Auf diesem Weg möchten wir auch in Zukunft Neuzugewanderte, sei es als Schutzsuchende oder als Fachkraft, aus einem Drittland in noch mehr Sprachen begleiten und ihnen mit bedürfnisgerechten, professionellen und verlässlichen Informationen die gleichberechtigte Teilhabe am sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Leben in Deutschland möglich machen.

Vielen Dank.

Dieses Interview ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2019.

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