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Sebas­tian Krumbiegel

Mit seinem Song „Die Demokratie ist weiblich“ setzt sich Sebastian Krumbiegel für mehr Gemeinschaft, Toleranz und gegenseitiges Verständnis ein. Bereits seit mehreren Jahren engagiert sich der Leipziger Sänger der Band Die Prinzen und Mitbegründer des Festivals „Leipzig zeigt Courage“ politisch. Mit Sorge beobachtet er die zunehmende Spaltung der Gesellschaft sowie den Rechtsruck in der Politik.

Für sein Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit wurde er 2012 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Vielen Dank, Sebastian Krumbiegel, für den melodischen Einsatz und eine klare Haltung für die Demokratie.

Anfang August haben Sie den Song „Die Demokratie ist weiblich“ veröffentlicht. Einen besseren Zeitpunkt hätten Sie, im Jahr des 70-jährigen Jubiläums des Grundgesetzes und kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, nicht wählen können. Wie kamen Sie auf die Idee für dieses Lied?
Mein Vater sagte mir vor Jahren schon: „Junge – schreib doch mal ein Lied über die Demokratie!“ Ich sagte ihm, dass das kein Thema für einen Popsong ist, dass das viel zu sperrig, viel zu theoretisch ist. Dann hatte ich Ende letzten Jahres die Idee mit der grammatikalischen Geschlechter-Spielerei und so kam dann eins zum anderen…

„Demokratie ist kein Thema für einen Popsong.“

„Die Demokratie ist kein Selbstläufer“, sagten Sie einmal in einem Interview. Was macht Ihres Erachtens eine Demokratie besonders aus?
Naja – ich denke, dass wir uns daran gewöhnt haben, in Freiheit zu leben, dass wir es als Selbstverständlichkeit erachten, all diese freiheitlich-demokratischen Grundrechte zu genießen. Ich fürchte aber, dass das ein Irrtum ist. Die Demokratie ist eine zarte, verletzliche Pflanze, die wir pflegen müssen. Jeden Tag aufs Neue sollten wir uns darum kümmern, dass all diese vermeintlichen Selbstverständlichkeiten erhalten bleiben. Gerade in diesen bewegten Zeiten haben sich Leute in Stellung gebracht, die offen gegen die Demokratie zu Felde ziehen. Ich merke gerade, dass das fast militärisch klingt, aber ich denke, dass wir wirklich ein Problem haben, dass es nicht mehr reicht, daneben zu stehen und abzuwarten. Wir müssen aktiv gegen die Feinde der Demokratie vorgehen. Rassismus und Antisemitismus sind nicht zu dulden und all das beginnt mit Worten und endet mit Taten. Die Mordserie des NSU oder Todeslisten auf Neonazi-Webseiten – Jagd auf Menschen, die anders aussehen oder einen anderen Lebensentwurf haben als der Mainstream, oder der Mord an Walter Lübcke – all das hatte seine Vorgeschichte, all das kam nicht aus dem Nichts. Eine Demokratie muss wehrhaft bleiben, und das passiert nicht automatisch, darum sollte sich jeder Einzelne kümmern.

Im Lied singen Sie, dass die Demokratie verletzlich ist. Wie können und sollten wir Ihrer Meinung nach die Demokratie schützen und wie kann jeder und jede einen Beitrag dazu leisten?
Wie gesagt – es geht mit Worten los. Ich habe mir fest vorgenommen, verbal dazwischen zu gehen, laut zu werden, wenn in meinem Umfeld Sachen gesagt werden, die demokratiefeindlich sind. Das ist oft nicht leicht, weil die Grenzen da fließend sind, weil oft Bemerkungen gemacht werden, die vielleicht witzig gemeint sein sollen, es aber nicht sind. Und dann bist du schnell die oberkorrekte Spaßbremse oder der „linksgrün versiffte Gutmensch“. Das Problem ist noch dazu, dass der allgemeine politische Diskurs in den letzten Monaten und Jahren mehr und mehr nach rechts gedriftet ist. Politisch fragwürdige Äußerungen in Talkshows oder Interviews haben Stück für Stück dafür gesorgt, die Schwelle des Sagbaren zu verschieben. Und damit meine ich nicht nur Höcke oder Gauland – damit meine ich auch Seehofer oder Söder. Wir alle sollten uns stark machen für einen respektvollen, menschenwürdigen Umgang. Und das beinhaltet automatisch, dass wir uns klar gegen jede Form von Ausgrenzung, Hass oder auch Fake-News stellen – ganz zu schweigen natürlich von rassistischen und antisemitischen Äußerungen. Humanität als Kompass ist doch erstmal eine gute Grundlage und Humanität geht mit Antifaschismus Hand in Hand. Wir sollten mit dem Irrtum aufräumen, dass Antifaschismus bedeutet, linksextrem zu sein. Jeder Humanist, jeder Demokrat sollte automatisch Antifaschist sein.

„Die Königsdisziplin ist dann vielleicht, dass wir wieder lernen, konstruktiv miteinander zu streiten.“

Was bedeutet für Sie persönlich „Zusammenhalt in Vielfalt“?
Erstmal all das, was ich eben gesagt habe. Die Königsdisziplin ist dann vielleicht, dass wir wieder lernen, konstruktiv miteinander zu streiten, dass wir versuchen, uns Argumenten zu öffnen. Das scheinen wir verlernt zu haben. Die Fronten sind verhärtet, jeder lebt mit seiner Wahrheit in seiner Blase. Das wird durch die digitalen Medien noch verstärkt. In den so genannten sozialen Netzwerken bekommen wir immer nur unsere eigene Meinung widergespiegelt. Und damit meine ich uns alle. Es ist fast eine Art Kulturkampf geworden: Wir gegen die – und jede Seite ist davon überzeugt, recht zu haben. Die eine, weil sie das Abendland vor Islamisierung retten will und die andere, weil sie in jedem Andersdenkenden gleich einen Nazi sieht. Das ist gefährlich, das entfernt uns voneinander. Wenn wir wieder lernen, mehr einander zuzuhören, wenn wir versuchen, uns Argumenten gegenüber zu öffnen, dann haben wir die Chance, die Gräben, die sich nicht nur in Freundschaften, sondern sogar in Familien auftun, zu überwinden. Natürlich geht es dabei nicht um falsch verstandene Toleranz. Die roten Linien zwischen konservativer Meinung und rechtsradikalem Denken sollten wir verteidigen. Nochmal: Zusammenhalt in Vielfalt ist erstrebenswert – es gibt verschiedene Lebensentwürfe, unterschiedliche politische Meinungen, aber Rassismus, Antisemitismus und Faschismus gehören nicht in diese Kategorie. Das sind keine „Meinungen“, das ist klar zu benennen, zu schneiden, auszugrenzen und zu bekämpfen. Denn wir wissen aus der Geschichte, was passiert, wenn wir das nicht tun.

Vielen Dank!

Hören Sie sich hier den Song „Die Demokratie ist weiblich“ von Sebastian Krumbiegel an!

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